Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
der Schulter.
»Den genauen Grund dafür kennen wir nicht. Wir wissen nur, daß keine Frauen als Gehörnte über den Heiligen Hain schreiten.« Ramu legte nachdenklich die Stirn in Falten. »Ich glaube, auch unsere Zauberinnen können sich verwandeln, doch sie scheinen ihre Mysterien viel besser zu hüten. Ich weiß nicht, was aus ihnen wird oder wohin sie gehen. So haben beide Seiten ihre Geheimnisse, und keine dringt zu tief in die der anderen ein.«
Während der Aware sprach, erinnerte sich der Krieger immer deutlicher an den Traum, in dem er den Heiligen Hain gesehen hatte. »Die Gehörnten leben in den Bäumen am Rand des Heiligen Hains«, flüsterte er jetzt. »Sie bewegen sich mit der Naturkraft fort, die den Stämmen innewohnt.«
»Woher wißt Ihr das, Axis?« fragte Ramu.
»Ich selbst bin einmal durch dieses Heiligtum gewandelt, wenn auch nur im Traum.«
Ogden und Veremund, die wie üblich nebeneinander saßen, nickten dazu. Sie hatten dies gespürt, als sie Axis in ihrer Burg im Wald der Schweigenden Frau untersuchten. Die Gehörnten hatten das Eindringen des verhaßten Axtherrn in ihr gehütetes Revier alles andere als begrüßt.
»Das habt Ihr?« wollte der Aware wissen. »Wie kam es denn dazu?«
»Alles begann mit einem Alptraum«, antwortete der Krieger und richtete sich ein Stück auf. Dann berichtete er von der Nacht, die er und seine Truppe vor dem Wald der Schweigenden Frau verbracht hatten. Seine alten Nachtmahre hatten ihn wieder heimgesucht, waren dann aber in einen Traum vom Heiligen Hain übergegangen. Er hatte darin auf kühlem Gras gestanden, die Augen gespürt, die zwischen den Bäumen umherhuschten und eine fremde Macht erlebt. Voller Furcht sah er dann einen Mann mit einem prachtvollen, aber erschreckenden Hirschgeweih auf dem Kopf auf sich zukommen. Als dieser seinen Namen wissen wollte, stellte er sich als Axis, Sohn der Rivkah, vor, Axtherr des Seneschalls. Die Neugier, die der Krieger vorher von den Augenpaaren gespürt hatte, verwandelte sich nach diesen Worten in großen Zorn. Der Hirschmann bewegte den Kopf, als wolle er ihn zum Angriff senken, und kam noch näher. Axis schrie und erwachte aus seinem Traum.
»Eure alten Nachtmahre?« fragte Rivkah, nachdem Ramu noch etwas mehr über den Traum hatte erfahren wollen. »Was sind das für Alpe?« Die Vorstellung erschütterte sie, ihren Sohn in der Umklammerung eines Alptraums zu wissen.
Axis hatte noch nie jemandem von diesen Träumen erzählt, die ihn fast sein ganzes Leben lang verfolgt hatten. Nicht einmal Embeth, der Herrin von Tare, seiner langjährigen Geliebten. Doch jetzt berichtete er der kleinen Gruppe ohne Zögern von dem Wesen, das ihn beinahe jede Nacht im Traum heimgesucht und behauptet hatte, sein unbekannter Vater zu sein. Diese Nachtmahre hatten erst aufgehört, nachdem Axis mit knapper Not der Wut des Wolkengesichts vor den Alten Grabhügeln entkommen war … Als ihm bewußt geworden war, daß sein Vater, gleich wer er sein mochte, ihn geliebt hatte und ihn bestimmt nicht mit der haßerfüllten Stimme der Alptraumerscheinung angesprochen hätte.
»Dann muß es Gorgrael gewesen sein, der Euch in Euren Träumen heimsuchte«, erklärte Veremund. »Er wollte Euren Mut und Euren Geist mit Lügen über Euren Vater brechen.«
Über das Gesicht des Kriegers ging bei dieser Erinnerung ein Zucken. »Er sagte, meine Mutter sei bei meiner Geburt gestorben. Sie habe mich im Moment ihres Todes dafür verflucht, ihr das Leben genommen zu haben. Damals habe ich ihm wohl oder übel geglaubt. Ich hatte ja niemanden, der mich vom Gegenteil überzeugen konnte.«
Erschüttert ergriff Rivkah seine Hand. Sie erkannte jetzt, was für eine furchtbare Kindheit ihr Sohn durchgemacht haben mußte. Mit dem Gedanken aufzuwachsen, daß die eigene Mutter ihn noch im Sterben haßte, und nicht zu wissen, wer sein Vater war. Lange saßen Mutter und Sohn so da, hielten sich an den Händen und gaben sich auf diese Weise gegenseitig Trost.
Schließlich seufzte Axis und sah die junge Frau an. »Aschure, es tut gut, endlich Alpträume loszuwerden. Wollt Ihr uns nun erzählen, wie es kommt, daß Euer Rücken so viele Narben aufweist?«
Aschures Verwandlung nach dieser Frage blieb auf der ganzen Reise ungeklärt. Die junge Frau erstarrte am ganzen Körper und sah den Krieger mit dunklen und ängstlichen Augen an. Lange sprach sie kein Wort, auch wenn ihre Lippen sich bewegten.
»Nein!« wimmerte sie dann wie ein kleines Mädchen in wahrer
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