Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
bereits auf der großen Erdbaumlichtung eingefunden hatten.
»Wo wollen wir denn hin?« fragte die junge Frau. »Uns zu den Sonnenfliegern setzen. Wir können wenigstens das Fest mit ihnen beginnen. Mit wem wir es beenden, werden wir dann sehen«, entgegnete Rivkah, während sie sich anschickte, ihnen einen Weg durch die Menge zu bahnen.
Die junge Ebenenbewohnerin fühlte sich angesichts des nächtlichen Festes ziemlich nervös. Während der vergangenen Wochen hatte sie mehr und mehr Andeutungen über angebliche nächtliche Ausschweifungen gehört. Ehegelübde und andere Versprechen zählten in dieser Nacht nicht. Jeder dürfe all das ausprobieren, wonach es ihn immer schon verlangt habe. Ikarier wie Awaren stillten dann all die Gelüste, die ihnen normalerweise untersagt waren.
Was erwartete sie also heute nacht? Aschure erinnerte sich daran, wie es sich angefühlt hatte, von Sternenströmer umarmt … von ihm geküßt zu werden. Sie fragte sich, ob sie in der Lage wäre, ihn ein zweites Mal abzuweisen. Immerhin hatten er und Rivkah sich ja inzwischen getrennt. Würde sie heute ihrem Verlangen nach ihm nachgeben?
Die Sonnenflieger saßen am Fuß einer schwarzen Felswand, die den Westrand der Lichtung begrenzte. Nicht weit von ihnen erhob sich dunkel und voller Schatten der Wald von Awarinheim. Rabenhorst saß etwas abseits von den anderen und schien über etwas nachzudenken. Seine Gemahlin saß mit verträumter Miene ein paar Schritte von ihm entfernt. Planten die beiden etwa schon, mit wem sie sich wenig später vergnügen wollten? Gaben selbst der Krallenfürst und seine Gattin ihren Gelüsten nach?
»Wo steckt denn Abendlied?« fragte Aschure Axis, als sie neben ihm Platz nahm. Sie strich ihr dunkelrotes Gewand glatt, und das lange Haar fiel ihr lose über Schultern und Rücken.
»Sie hat sich freiwillig zum Patrouillendienst gemeldet«, antwortete er, »und meinte, ohne Freierfall würde ihr das Fest keinen Spaß machen.«
»Sind wir denn hier sicher?«
»Ich glaube schon«, entgegnete der Krieger, während sein Blick auf dem Steinkreis ruhte. »Die Luftarmada wacht am Himmel wie auch rings herum im Wald. Im Umkreis von zweihundert Meilen hat sich noch kein Skräling blicken lassen.«
Ein Stück von ihnen entfernt ruhte Sternenströmer im Schatten eines überhängenden Felsens. Heute nacht würde er Aschure bekommen, dazu war er fest entschlossen. Seit einer Weile begehrte er sie so sehr, daß sie ihm weder bei Tag noch bei Nacht aus dem Sinn ging. Noch nie hatte es ihn nach einer Frau so verlangt, sei sie nun Acharitin, Awarin oder Ikarierin. In der Nacht vor dem Abflug zum Erdbaum hatte er davon geträumt, wie sie beide eng umschlungen durch die Lüfte eilten. In dieser Vision hatte Aschure Flügel und glich auch sonst einer Ikarierin. Doch die Schwingen verwirrten sich. Er und sie stürzten immer tiefer, dachten aber nur an ihre heiß lodernde Leidenschaft.
Heute nacht sollte aus dem Traum Wirklichkeit werden. Endlich würde er sie besitzen. Sternenströmer hatte seinem Sohn mitgeteilt, daß Aschure mächtige Zauberer gebären würde, und auf diesem Fest wollte er ihr den Samen für den ersten einpflanzen. Aber die Nacht war lang, und die Zeit war noch nicht reif dafür.
Awarische Magier schritten würdevoll durch die Menge, denn die Riten sollten gleich beginnen. Sie trugen schwere Gefäße mit beiden Händen, die eine dunkle Flüssigkeit enthielten. Wenn ein Mondstrahl darauf fiel, glänzte sie rubinrot.
Ein junger Magier trat vor Rabenhorst, murmelte etwas und reichte ihm dann die Schale. Nachdem der Krallenfürst getrunken hatte, wandte der Aware sich an Hellefeder und dann an Rivkah. Vorsichtig stieg er schließlich über die Felsen und näherte sich Sternenströmer. Nachdem dieser von dem gesegneten Wein getrunken hatte, wandte er sich Axis zu.
»Trinkt in vollen Zügen, Axis Sonnenflieger. Möge der heilige Beltidenwein Euch die Freuden und die Schritte des Sternentanzes ins Gedächtnis rufen, wenn Ihr heute nacht die Wiedergeburt des Lebens feiert.«
Der Krieger ergriff die Schale mit beiden Händen und nahm einen tiefen Schluck. Nur zögernd gab er das Gefäß wieder frei. Aschure beobachtete ihn und bemerkte die dicken roten Tropfen, die durch seinen Bart rannen. Zwei davon liefen zusammen und suchten sich gemeinsam ihren Weg durch das goldene Kinnhaar. Fasziniert starrte die jungen Frau darauf. Der Wein war so dick und schwer, daß man dabei an Blut denken mußte.
Der Magier zögerte
Weitere Kostenlose Bücher