Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
gab, streifte sie mit dem Handrücken die Tropfen, die immer noch in seinem Bart und in seinem Mundwinkel hingen.
Dann fiel ihr aus dem Augenwinkel eine Bewegung auf und sie blickte wieder zum Steinkreis.
Jemand trat gerade aus einem der Bogen, und ein Raunen entstand in den Reihen der wartenden Vogelmenschen und Waldläufer. Barsarbe zeigte sich und ihren zierlichen Körper in seiner ganzen Nacktheit. Die Magierin hatte sich Spiralmuster auf den Körper gemalt, die ihre Brüste und ihren Bauch hervorhoben. Doch Aschure konnte die Farbe nicht genau erkennen.
»Sie trägt das, was vom Hirschblut übriggeblieben ist«, bemerkte Axis leise neben ihr. »Könnt Ihr das Rot nicht sehen, seine Wärme nicht riechen?«
»Ich besitze schließlich nicht die Sinne eines Zauberers«, murmelte die junge Frau, ohne den gebannten Blick von Barsarbe abzuwenden.
Eine weitere Zauberin erschien: Morgenstern, auch sie nackt und gleichfalls bemalt. Doch ihre Muster schimmerten golden und betonten den hellen Schimmer ihrer Haut.
Der Krieger neben ihr wurde unruhig.
Beide Zauberinnen fingen an zu tanzen. Die Flöten spielten wieder, doch diesmal weniger schrill und wild. Nun fielen auch Trommeln ein, und Aschures Herz schlug im Takt dazu.
Der Rhythmus erinnerte sie an das Kommen und Gehen von Wellen an der Küste. Oder an das Auf und Ab der Mondbahn.
So wie Sternenströmer seine Stimme einsetzte, um Erinnerungen wiederzubeleben oder Geschichten zu erzählen, so kündeten auch die langsamen und sinnlichen Bewegungen der beiden Tänzerinnen von den Dingen, auf welche die Feiernden warteten. Sie erinnerten an das langsame Erwachen der Erde unter der warmen Berührung der Sonne; an die Saat des Lebens, die lange Monate im Erdreich begraben lag und nun erwacht; an die grünen Schößlinge, die durch die Krume brachen und heranwuchsen, um Mensch und Tier zu nähren. Der Tanz erweckte auch Vorstellungen von der ständigen Erneuerung des Lebens, in der Erde, im Leib eines Tieres oder dem einer Frau; von der Freude, die alle befiel, wenn ein Neugeborenes seinen ersten Atemzug tat; von der Liebe, ihren Freuden und ihrer besonderen Rolle beim immer wiederkehrenden Neuerwachen von Erde und Leben.
Barsarbe tanzte voller Leidenschaft, aber Morgenstern nahm Aschure noch viel mehr gefangen. Sie setzte nicht nur ihre eleganten Arme und Beine, sondern auch die Flügel im Tanz ein und vollführte mit ihnen Bewegungen, die mal verbargen und mal verlockten, mal einluden und dann wieder forderten.
Der Tanz der beiden Zauberinnen näherte sich seinem Höhepunkt, und ihre Bewegungen verliefen langsamer, wirkten aber um so verlockender. Ein Mann erhob sich, um mit Morgenstern zu tanzen, und mit gelindem Schrecken erkannte Aschure, daß es sich dabei um Grindel, den Häuptling des Geistbaumklans handelte. Axis’ Großmutter schien jetzt nur noch für den Klanhäuptling zu tanzen. Längst hatte sich ein anderer Mann zu Barsarbe gesellt. Aschure schluckte, während sie mit ansah, wie die Bewegungen der vier sich immer mehr einander anpaßten und stetig intimer wurden. Awaren und Ikarier gesellten sich nun zu den beiden Paaren und fanden sich zu ihrem eigenen Tanz zusammen. Im Innern des Steinkreises konnte man die Schatten von Paaren sehen, die sich am Boden wälzten. Aschure brauchte nicht die übernatürlichen Sinne eines Zauberers, um zu erkennen, was man dort trieb.
Der Wein sang immer stärker in ihrem Blut.
Ohne länger nachzudenken, erhob sich die junge Frau und schritt durch die Felsen in den dahinterliegenden Wald.
Aschure lief, bis sie die Musik der Flöten und Trommeln nicht mehr hören konnte. Das Gras unter ihren Füßen fühlte sich weich und kühl an, und der Erdbaum sang leise und verlockend über ihr. Der Nachtnebel verdichtete sich, bis sie schon meinte, durch einen schwebenden See aus weichem Silber zu schreiten. Bald hatte sie jede Orientierung verloren, und der wabernde Nebel füllte ihr ganzes inneres Universum.
Der Wein sang immer noch in ihr, und tief in sich glaubte sie, ganz schwach das Lied eines anderen zu hören wie ein Gegengesang. Aschure verlangsamte ihre Schritte und faßte nach der grünen Schleife, mit der sie ihr Gewand zusammengebunden hatte. Sie löste den Knoten und genoß das Gefühl des sich nun frei bewegenden Kleids auf ihrer Haut – und dazu die feuchte, warme Luft Awarinheims.
Der Erdbaum sang süß und sanft. Die junge Frau schloß die Augen, ließ sich von der ganzen Schönheit dieses Walds umfassen und
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