Tanz des Lebens
Luke rieb seinen Rücken an Faye und strich ihr sacht über den Arm.
»Geht’s wieder besser?«, fragte er leise.
»Mhm, ein bisschen besser. Nein … eigentlich gar nicht… Shiva hat mir ihre wahre Identität verraten«, wisperte sie traurig.
Nervös räusperte sich Liam. »Das habe ich Luke heute Morgen auch schon erzählt. Ich finde, dass wir euch in diesem Stadium der Dämonenjagd Offenheit schulden. Außerdem habe ich ihm erzählt, was der Gründerrat uns berichtet hat. Möchtest du es auch wissen?«
Schweigend nickte Faye, hielt aber die Augen geschlossen. »Erklär es mir so, dass ich es verstehe«, bat sie.
»Okay. Also, als der damalige Gründerrat den Befehl gab, alle Nats bis auf die 37 guten auszurotten, haben sie alle Dämonen nahe der Stadt Mandaley in das unterirdische Labyrinth einer geheimen Gruft gebannt. Das Portal wurde versiegelt und mit einem Schutzzauber belegt. Einige Jahre später eskalierte die Situation. Burma war schon immer ein krisengeschütteltes Land. Alle aufständischen Gründerfamilien wurden durch die neu an die Macht gelangte Militärjunta des Landes verwiesen. Der damalige Rat des Jade-Zirkels hat sich hier in Kalifornien niedergelassen und sie haben hier ein neues Dorf errichtet, in dem sie zurückgezogen nach ihren Regeln lebten. Und dann muss etwas Schreckliches passiert sein, denn irgendwann haben alle Bewohner das Dorf Hals über Kopf verlassen und sind geflüchtet. Es ist jahrhundertelang eine versunkene Geisterstadt gewesen. Nach unserem Besuch im Hauptquartier hat der Rat sämtliche Jäger alarmiert, die sich auf die Jagd von Natdämonen jeglicher Art spezialisiert haben. Kurz bevor Jhonfran …« Liam stockte und verstummte mitten im Satz.
Faye bemerkte, wie er sie mit einem merkwürdigen Blick beobachtete. Verlegen fuhr sie mit den Fingerspitzen über ihre nackten Beine. Unsicher, ob sie sich das unmerkliche Glitzern in seinen karamellfarbenen Augen nur eingebildet hatte. Nervös versuchte sie den Kloß in ihrem Hals aufzulösen und räusperte sich. Liam zuckte erschrocken zusammen. »Eh … ja, wo war ich stehengeblieben? Ach ja … Also, du weißt doch, dass Jonny ein Jäger ist.«
»Ja.« Faye schluckte. Zeitgleich fiel ihr Blick unbewusst auf Melissas Hand, in der etwas aufblitzte. Nachdenklich runzelte sie die Stirn. Sie konnte sich erinnern, bei Jhonfran genau so einen, vollkommen identisch aussehenden Ring gesehen zu haben. Ungläubig blinzelte sie und Melissa, der ihr Blick nicht verborgen geblieben war, nickte verlegen.
»Du hast eine gute Beobachtungsgabe, Faye. Und du hast richtig vermutet – ich bin auch eine Nat-Jägerin. Liam und Luke wissen schon Bescheid. Der Gründerrat hat mich geschickt, um euch in diesem Kampf beizustehen und euch zu helfen, die Dämonensiegel zu löschen. Und da ich schon mal am beichten bin, kann ich Liams Geschichte auch zu Ende erzählen. Gut, also, kurz bevor Jhonfran einen Ice Whisperer tötete, hat dieser ihm das Geheimnis verraten. Da das versiegelte Portal in Mandalay nicht mehr bewacht wurde, ist ein unterweltliches Vakuum entstanden, durch das einige der dunkelsten Dämonen fliehen konnten. Der Gründerrat muss das mitbekommen haben und hat in aller Eile ein spiegelgleiches Portal hier in Kalifornien errichtet, das sie mit einem Bann und einem Schutzzauber belegt haben, bevor sie geflohen sind. Aber jetzt ist auch dieses Tor zerstört worden.«
»Wie konnte das passieren?«
»Nun«, mischte sich Liam wieder ein. »Dazu waren zwei Dinge nötig: ein Schwarzmagier, der den versiegelten Bann mit einem umgekehrten, dunklen Zauber gebrochen hat, und jemand, der das Tor freigelegt hat.«
»Wer war das?«
»Den Schwarzmagier kennen wir nicht.«
»Wo liegt dieses Portal?«, flüsterte Faye, von einer dumpfen Vorahnung erfasst. Liam schwieg einen Augenblick. Das Trommeln seiner Finger auf dem Holzsteg hallte in ihren Ohren. »Auf dem alten Militärgelände hier in Monterey, direkt neben der neuen Universität«, antworte er zögernd.
»Dann hat mein Vater mit seinen Ausgrabungen das Portal wieder geöffnet und die Dämonen freigelassen«, flüsterte sie erschüttert.
»Allem Anschein nach ja«, erwiderte Liam.
»Oh Gott, das wird er sich nie verzeihen.«
»Das ist leider die traurige Tatsache«, mischte sich Melissa in die Unterhaltung ein und umarmte sie tröstend. »Ich war bei den ersten Grabungen mit dabei. Dass das Portal freigelegt wurde, ist unsere Schuld. Aber als wir mit den archäologischen Ausgrabungen
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