Tanz des Lebens
man nicht, wenn man gar nichts fühlt«, antwortete Faye schwach.
Schockiert musterte er sie. Dann löste er sich von ihrem warmen Körper und aus ihrer Umarmung. Auf die Ellenbogen gestützt sah er sie lange unverwandt an. »Du verstehst das nicht, Lunababe. Ich töte Menschen! Dabei fühle ich etwas. Und willst du wissen was?«
Drohend beugte sich vor und umklammerte hart ihr Kinn. »Ich fühle mich gut dabei«, flüsterte er ihr ins Ohr. Seine Stimme klang hart und kompromisslos. Sein warmer Atem strich über ihren Hals und ließ Faye erzittern. Sie erstarrte, und für einen Moment blieb ihr der Mund offen stehen.
»Jetzt mach aber mal einen Punkt!« Mühsam setzte sie sich auf und funkelte ihn empört an. »Erstens hast du keine Menschen getötet, sondern grausame Nats! Wenn du dich dabei gut gefühlt hast, dann warst das nicht du selbst – das war der Dämon in dir! Deine menschliche Seite war bei den Taten vollkommen unterdrückt.«
»Das ist Haarspalterei, finde ich. Du kannst einen Dämonen nicht einfach so umdrehen und das Böse schön reden …«
Faye unterbrach ihn. »Doch«, fegte sie sein Argument unbeirrt zur Seite. »Jetzt hör mir mal gut zu, Quin: Das verdammte Elixier hat dir bei deiner Geburt eine dunkle Seite gegeben und dich deiner Gefühle beraubt. Aber ich habe dir mit der Magie des Wassers die Hälfte deiner Menschlichkeit zurückgegeben und damit die dunkle Seite in dir geschwächt. Jetzt liegt es an dir, etwas daraus zu machen. Du musst lernen, mit deinen Gefühlen umzugehen und sie zuzulassen. Du musst dagegen ankämpfen Quin, Du bist stark, Du kannst das schaffen - ich weiß das Du das kannst. Denn wenn Du es nicht schaffst, verlierst Du dich ganz.«
»Verdammt noch mal«, grollte Quin heiser, »ich bin nicht gut für dich, versteh das doch endlich mal. Ich bin immer noch ein gefühlloses Monster. Irgendwann werde ich dir wehtun und du wirst mich dafür hassen. Du weißt ja gar nicht, worauf du dich mit mir einlässt. Verflucht! Ich finde nicht einmal in dieser Situation die richtigen Worte. Ich bin mir nicht sicher, aber«, sagte er nach einer langen Pause, »… ich glaube, ich würde gerne mehr geben wollen … Aber ich kann es nicht. Und ich lasse es nicht zu, dass du …« Stockend brach er ab.
Ein gequälter Ausdruck flackerte über sein Gesicht, als er sich zurückfallen ließ und sie hart an sich zog. Die kalte Silberscheide seines Dolches presste sich in Fayes Unterleib. Unter dem halbzerrissenen, blutbefleckten Hemd bemerkte sie das angespannte Spiel seiner Muskeln auf seiner nackten Brust und trotz seiner Wut wirkte seine gesamte Erscheinung auf sie wie ein Fels in der Brandung. Unbezähmbar wild und doch seltsam vertraut.
Als sie ein sehnsuchtsvolles Ziehen in ihrem Inneren spürte, wandte sie sich hastig ab und konzentrierte sich auf sein markantes Gesicht. Wie war es möglich, dass er trotz seines aufgebrachten Gesichtsausdrucks und den vorangegangenen Ereignissen noch immer so überwältigend auf sie wirkte?
»Warum hast du mich gerettet?«, fragte Quin noch einmal mit einem rauen Unterton und sah sie an.
Weil ich jenseits der Angst um meinen Bruder noch etwas anderes fühle. Etwas, das meinen Körper schwindelig macht, wie die bunten, strahlenden Glasprismen bei einem wunderschönen Kaleidoskop. Wie ein Hauch von etwas noch nie Erlebtem.
Doch das wagte sie nicht laut auszusprechen. Faye zögerte. Verlegen senkte sie den Kopf und kämpfte mit ihren durcheinanderwirbelnden Gefühlen, die sie selber in ihrem Innersten erschütterten. Nach einer Weile antwortete sie ihm: »Weil wir manchmal falsche Dinge aus den richtigen Gründen tun«, erwiderte sie leise. »Weil jeder eine Chance verdient hat – und weil du für mich weder ein Monster, noch gefühllos bist.«
Sie sah, wie ein ungläubiger und überraschter Ausdruck in seine Augen trat. Dann stieß er sie abrupt weg. »Faye«, stöhnte er gequält. Ein seltsamer Ausdruck spiegelte sich auf seinem Gesicht. Doch Sekunden später hatte er sich wieder im Griff. Er legte den Kopf zurück und blickte mit unbewegter Miene in den knisternden, brennenden Himmel.
Faye wartete wortlos. Die Minuten verflochten sich zu einer lautlosen Ewigkeit. Quin schien in einen Bereich abgedriftet zu sein, der jenseits ihrer Vorstellungskraft lag. Eine Zeitlang saß sie regungslos in der Stille. Sie fühlte sich allein. Als sie das Schweigen zwischen ihnen nicht mehr aushielt, schweiften ihre Augen über das brennende Kliff hinweg.
Die
Weitere Kostenlose Bücher