Tanz im Mondlicht
Teenager …
»Du hattest recht«, erwiderte er kalt. »Es ist besser, wenn du jetzt gehst.«
»Ich wusste nicht, was mir entgangen ist«, erwiderte sie angespannt. »Bis jetzt …«
»Nun, wenigstens hast du ja jetzt, was du wolltest. Du hast ein wenig Zeit mit deiner Tochter verbracht.«
»Ich rede auch von dir«, sagte sie aufschluchzend.
»Seltsam, ich dachte gerade das Gleiche.«
Und dann schrie die Eule abermals, unmittelbar vor dem Fenster, schwang sich in die Lüfte, ihre zappelnde Beute in den Fängen; der große geflügelte Schatten verhüllte die Sterne, verdunkelte das Fenster. Jane schauderte. Dylan schwieg, gab ihr zu verstehen, dass es nichts mehr zu sagen gab.
Als sie das Haus des Mannes verließ, den sie liebte, bemühte sich Jane, einen Rest Würde und Haltung zu bewahren. Es gelang ihr, bis auf die Tränen, die ihr über die Wangen liefen. Die Fliegengittertür fiel leise hinter ihr ins Schloss. Als sie ihr Auto erreicht hatte, blickte sie zu seinem Schlafzimmerfenster empor. Er stand da und sah ihr nach, eingerahmt vom Fenster, stark wie ein Riese, der ihren Träumen soeben ein Ende gesetzt hatte.
Doch das war ein Trugschluss: Er war nicht derjenige gewesen.
Dass sie zunichte waren, hatte sie sich selbst zuzuschreiben.
Chloe und Mona tauchten am nächsten Tag zeitig zur Arbeit auf. Die Sonne schien, doch überall war noch Morgentau auf dem Stand. Chloe wischte ihn weg und schloss den kleinen Schrank auf, holte Wimpel, Transparente und Schilder heraus. Sie arbeiteten schweigend in der frühmorgendlichen Stille – Chloe war ein Morgenmensch, Mona ein Morgenmuffel –, bereiteten alles für den Tag vor.
Chloe war übel, und sie wünschte sich, sie hätte ein kaltes Sodawasser. Ihr Verdauungssystem war an eine rein vegetarische Kost gewöhnt, und sie befürchtete, es könnte Muschelsaft auf ihr Röllchen geraten sein. Wieso maßte sie sich auch das Recht an, einen Unterschied zwischen großen Kühen mit Fell und glitschigen kleinen Muscheln zu machen? Gleich, ob Säugetiere oder Schalentiere, Tier war Tier, und vielleicht war das die gerechte Strafe dafür, dass sie den Umsatz einer Muschel-Imbissbude gefördert hatte.
Onkel Dylan brachte mit grimmiger Miene die Pasteten auf seinem Traktor vorbei. Die tiefen Furchen zu beiden Seiten des Mundes und die Sorgenfalten auf der Stirn veranlassten Chloe zu der Schlussfolgerung, dass er wieder wie früher aussah, in der Zeit nach Isabels Tod, bevor Jane seinen Weg gekreuzt hatte. Sie dachte eine Weile darüber nach, hätte gerne gewusst, was passiert war, fühlte sich aber zu elend, um zu fragen.
»Meine Güte, welche Laus ist denn heute der Familie Chadwick über die Leber gelaufen?«, fragte Mona. »Du siehst zum Gotterbarmen und dein Onkel zum Fürchten aus.«
»Was heißt hier Gotterbarmen? Mir ist schlecht, von den Muscheln.«
»Was?«
»Das ist die Rache der kleinen Schleimscheißer. Sie wollen mir unter die Nase reiben, dass es besser gewesen wäre, keine Muschelröllchen zu essen.«
»Sie waren mausetot. In siedendem Öl frittiert.« Mona zwirbelte ihre Haare. »Außerdem haben sie keine Stimme. Und du hast keine einzige gegessen – schlimmstenfalls ein Röllchen, in dem eine Muschel
zerquetscht
wurde.«
Chloe blickte sie an.
»Na gut, ich habe jedenfalls keine Lust, mir den herrlichen, sonnigen Morgen mit der Vorstellung zu verderben, dass ich von den Geistern toter frittierter Muscheln heimgesucht werden könnte. Und was für ein Problem hat
er?«
»Onkel Dylan? Keine Ahnung.« Chloe sah dem Traktor nach, der auf der Plantage verschwand. »Ich habe mir gerade die gleiche Frage gestellt.«
»Glaubst du, er hat’s mit Jane getan?«
»Was ist los mit dir, Mona?«, lachte Chloe. »Du bist heute wirklich ekelhaft.«
»Was ist ekelhaft an Sex? Es sei denn, mit einem Fiesling namens Zeke? Hey, ich habe eine tolle Idee! Wir lassen uns ein Hai-Tattoo machen. Meines umwickle ich mit einem Band, ebenfalls tätowiert, auf dem steht: ›Jungfrau und Luder‹.«
Chloe hob gedankenverloren den Kopf. »Genial. Ich kann direkt vor mir sehen, wie meine Eltern darauf abfahren!«
»Im Ernst. Nur um der Körpermalerei dieses Delfin-Knaben entgegenzuwirken. Wir zermalmen ihn mit unseren Zähnen.«
Chloe lachte. Sie hatte sich schon immer eine Tätowierung gewünscht, obwohl ihr eher das Konterfei eines Schafes oder einer Kuh vorgeschwebt war, als Bekräftigung ihrer Liebe zu den Tieren, die auf einer Farm lebten. Andererseits wurde
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