Tanz im Mondlicht
der Hai von vielen verteufelt und konnte ein wenig Unterstützung gebrauchen.
»Er verscheucht Zeke, garantiert«, sagte Mona verlockend.
»Ich glaube nicht, dass er jemals wiederkommt.« Chloe hielt sich den Bauch.
»Es sei denn …«, Mona hob warnend die Augenbrauen, »du hast keine Muschelvergiftung, sondern die morgendliche Übelkeit.«
»Mona!« Chloe kreuzte geschwind ihre beiden Zeigefinger, um Unheil abzuwehren.
»Denk mal nach …«
»Nein – ich will nicht.«
»Chloe …«
Chloe schloss die Augen, zählte die Tage. Was war, wenn sie den Test zu früh gemacht hatte? Wann war ihre Periode überhaupt fällig? Sie rechnete nach: vor sechs Tagen.
»Nein …«, stöhnte sie auf.
Monas Miene war besorgt, als hätte sie gerade einen Witz erzählt, der sich als blutiger Ernst erwies. »Sag mir nicht, dass du überfällig bist.«
»Sechs Tage.« Chloes Augen waren weit aufgerissen.
»Ich habe doch nur Spaß gemacht, obwohl …«
»Aber was ist, wenn es wirklich die morgendliche Übelkeit ist?«
»Das kann nicht sein. Du hast es doch nur ein einziges Mal gemacht. Du bist praktisch noch Jungfrau.«
»›Praktisch‹ gibt es bei so was nicht.«
»Das mit der Jungfrau und dem Luder war nicht so gemeint. Es sollte ein Witz sein. Ich werde mich bessern.«
»Lass nur«, sagte Chloe liebevoll, wenngleich mit zunehmender Panik. »Auf dich trifft die Beschreibung Luder am allerwenigsten zu. Und ich bin auf der Luderliste Zweitletzte.«
»Was willst du jetzt tun?«
»Noch einen Test machen«, sagte Chloe. »Aber dabei habe ich die gleichen Probleme wie vorher – ich will nicht, dass mich jemand aus dem Ort sieht, wenn ich ihn besorge.«
»Du könntest Jane anrufen und sie bitten, ihn für dich zu kaufen. Oder sie gleich bitten, mit dir hinzufahren …«
Chloe nickte. Ihr Magen rebellierte. Genau das war’s.
»Das tue ich; ich rufe Jane an und wiederhole den Test …«
Dylan fuhr mit seinem Traktor querfeldein. Seine Hände hielten das Lenkrad fest umklammert, als fürchtete er, herunterzufallen und unter die Räder zu geraten. Seine Gedanken drehten sich fortwährend im Kreis, während sein Herz wie versteinert war. Er hatte den fragenden Blick in Chloes Augen wahrgenommen:
Was ist los mit ihm
?
Gute Frage. Eine wirklich gute Frage.
Eines war sicher: Er fühlte sich wie Ikarus, war in seinem Höhenrausch der Sonne zu nahe gekommen, und nun war er am Boden zerstört. Er kannte das Geschwafel vom emotionalen Schutzpanzer – das war der springende Punkt bei jeder Sucht. Jeder, der zu viel rauchte oder trank, ständig Kekse in sich hineinstopfte oder stundenlang wie angenagelt vor dem Fernseher saß, legte sich einen emotionalen Panzer zu, um zu vermeiden, dass er Kummer oder Schmerz empfand.
Das konnte einem jeder Pop-Psychologe sagen. Wie zum Beweis besserte sich Dylans Stimmung schlagartig. Zum ersten Mal seit mehr als vierundzwanzig Stunden. Er hatte einen emotionalen Panzer. Eine riesige harte Schale, verteufelt schwer, undurchdringlich. Er war selbst ein Panzer, imstande, alles niederzuwalzen, was sich ihm im Leben in den Weg stellte. Als Marshal hatte er eine Waffe getragen. Mehrere, genauer gesagt.
Er war ein guter Schütze, hatte auf dem Schießplatz immer ins Schwarze getroffen. Einmal hatte ein mit Drogen vollgepumpter Amokläufer versucht, ihn mit einer Machete niederzumetzeln, um seine verflossene Ehefrau in die Finger zu bekommen, die Kronzeugin, die unter Dylans Schutz stand, und er hatte ihn erschossen. Nicht in Notwehr, um ihn aufzuhalten oder durch einen Schuss außer Gefecht zu setzen, sondern vorsätzlich – er hatte kaltblütig in die Mitte der Körperfülle gezielt. Man brauchte einen emotionalen Panzer, um einen Menschen auf diese Weise zu töten, und paradoxerweise hatte der Akt des Tötens zur Folge, dass der bestehende Panzer dicker wurde.
Eine gutaussehende Ehefrau, von der man nicht geliebt wurde, ermöglichte und beschleunigte gleichermaßen das Wachstum des Panzers. Dass er von ihr mit einem reichen Polospieler betrogen worden war, hatte ihn nicht gerade ermutigt, sein Herz zu öffnen, sich von seiner verletzlichen Seite zu zeigen. Und die Eröffnung, dass sie ihn verlassen wollte – genauer gesagt, dass er die gemeinsame Wohnung zu verlassen hatte, in die sie aus der Klinik nach der Entbindung mit ihrer kleinen Tochter heimgekehrt waren –, hatte einen gewaltigen Wachstumsschub des Panzers zur Folge, wie bei dem Düngemittel Semiramis.
Als sie dann
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