Tanz im Mondlicht
er Eli oder Dylan war. Wie auch immer, sie hatte seinen Anblick als beruhigend empfunden. Allem Anschein nach war er ein achtsamer Mensch …
Menschen brauchten jemanden, der auf sie achtgab.
Während sie langsam die Straße entlangfuhr, ertappte sie sich dabei, wie sie mit den Augen die Lichtung absuchte, auf der sie ihn gesehen hatte. Sie hätte ihm zugelächelt. Aber er war nicht da. Deshalb fuhr sie ein wenig schneller, wollte zu Now-Mart, bevor der Laden schloss.
Sie wollte eine Puppe für ihre Mutter kaufen. Als Ersatz für diejenige, die sie verloren hatte …
Kapitel 3
J edes Frühjahr brachten die verwilderten Katzen Junge zur Welt. Chloe Chadwick war der Ansicht, das sei mit das Beste, wenn man am Rand einer Obstplantage lebte. Die Katzen kamen nachts aus ihrem Versteck, um im Mondlicht zu tanzen; ihre Eltern hatten ihr weismachen wollen, dass die Katzen lediglich auf die Jagd gingen, sich an ihre Beute heranpirschten. Aber Chloe wusste, dass ihre Eltern sich täuschten. Sie pflegte die Katzen von ihrem Fenster aus zu beobachten und war fest davon überzeugt, einem absonderlichen, magischen, malerischen Katzenball beizuwohnen.
Im Lauf der Jahre hatten Chloe und die Katzen friedlich nebeneinanderher gelebt. Sie konnte sie nicht als ihre Haustiere bezeichnen – wenn überhaupt, war es eher umgekehrt. Die Katzen hatten ihr einiges beigebracht: auf Bäume zu klettern, Vögel zu beobachten, zu essen, wenn sie hungrig war, und mucksmäuschenstill zu sitzen, ungeachtet dessen, was in ihrer Umgebung vorging und was sie in ihrem tiefsten Inneren empfand.
Sobald sie von der Schule heimkam, füllte sie eine große Backform mit Trockenfutter. Das Geräusch lockte viele Katzen an, und sie schossen wie der Blitz aus dem hohen Gras, aus den Stechpalmenbüschen, unter dem Wagen und hinter der Scheune hervor, strichen um ihre Knöchel.
»Hallo, ihr.« Sie stellte die Backform auf den Boden. Die Katzen miauten laut, stießen einander beiseite. Sie sah gebannt zu und hoffte, dass es ihnen schmeckte. Einige verschlangen das Futter gierig, andere schlichen sich davon.
»Du kannst nicht erwarten, dass die Katzen deinem Beispiel folgen und Vegetarier werden«, sagte ihre Mutter, die im Garten Stiefmütterchen einpflanzte.
»Warum nicht?«
»Chloe, Katzen sind Fleischfresser. Genau wie Löwen. Und Tiger.«
Chloe hatte unlängst die Ernährung der Katzen umgestellt, kaufte statt der gewohnten Marke aus dem Supermarkt Tierfutter aus dem Reformhaus. Es war teuer, aber sein Geld wert: vegetarische Katzennahrung.
»Ich muss meinen Prinzipien treu bleiben«, erklärte sie eigensinnig.
»Willst du, dass die Katzen in der Zwischenzeit verhungern?«
»Sie verhungern schon nicht. Es sind wilde Katzen, an das Leben auf einer Plantage gewöhnt. Nach dem Tanz gehen sie auf die Jagd.«
»Und du hast kein Problem damit, dass sie Mäuse fangen?«, erkundigte sich ihre Mutter, die Bemerkung über den Tanz ignorierend.
»Jagen gehört zu
ihrer
Natur, nicht zu meiner. Ein Problem habe ich nur damit, ihnen Katzenfutter vorzusetzen, das aus Knochenmehl und Schweinefleischprodukten besteht. Weißt du, dass Schweine beinahe genauso intelligent sind wie Delfine?«
»Ich weiß, du hast es uns erzählt.« Ihre Mutter klopfte die Erde fest.
Chloe blickte ihre Mutter an. Sie kniete neben dem schmalen Weg an der Frontseite des Hauses und trug einen breitkrempigen Strohhut mit einem schmucken blauen Band, grüne Clogs, speziell für den Garten, und Hirschlederhandschuhe mit Blumenmuster. Die Gartengeräte hatte sie in einem bauchigen Bambuskorb verwahrt – »Panier« genannt –, dessen langer Henkel anmutig um ihren Arm geschlungen war. Sie hatte die Stiefmütterchen im haargenau gleichen Abstand eingepflanzt, so exakt wie mit dem Lineal gezogen. Sie legte großen Wert darauf, dass alles adrett und ordentlich aussah.
»Schweine müssen ihr ganzes Leben im Stall verbringen«, sagte Chloe gefährlich leise. »Sie werden derart eingepfercht, dass sie sich nicht einmal umdrehen und kratzen können, wenn ihre Hinterläufe jucken.«
»Es reicht, Chloe.«
»Was gibt es heute zum Abendessen?«
Keine Antwort. Nur stummes, unaufhörliches Umgraben – eine Verschönerung des Gartens, was es ohne Zweifel war. Überall blühten gelbe Narzissen, Jonquillen und Blausterne. In etwa einer Woche würden Apfelbäume und Flieder Blüten treiben.
»Mom?«
»Hühnerbrüste.«
»Weißt du, dass die meisten Hühner ihr ganzes
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