Tanz im Mondlicht
erkämpfen müssen – er hatte ein Fernstudium absolviert und nebenbei von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang in der Apfelplantage seiner Familie geschuftet. Dylans Talent als Basketballspieler und seine charmante Art hatten ihm den Weg in die Brown University geebnet. Er hatte den Blütenstaub der Plantage abgeschüttelt, sich von der sprichwörtlichen Bürde befreit, eine Elite-Universität besucht und nie mehr zurückgeblickt.
In der College-Mannschaft war er zum Basketball-Star, im zweiten Jahr zum Ausnahmesportler der All-Ivy-League und im vorletzten und letzten Jahr vor seiner Graduierung zum All-American, dem besten Studenten der Universität in seiner Disziplin, gekürt worden. Er hatte reiche Freundinnen, gutbetuchte Mentoren, die ihn auf eine Weise unter ihre Fittiche nahmen, von der Eli nur träumen konnte. Eine Familie lud ihn nach Europa, eine andere auf einen Segeltörn nach den Bermudas ein. Headhunter warben ihn für einen Posten »auf Regierungsebene« an. Streng vertraulich, niemand durfte wissen, wer sein Arbeitgeber war, aber es kursierten Gerüchte: CIA oder FBI ? Dylan enthielt sich jeden Kommentars. Nicht einmal Eli erhielt die Chance, ihm auf den Zahn zu fühlen, und warum? Weil Dylan nie nach Hause kam.
Er genoss sein Leben als Junggeselle in Washington, D. C., wohnte in einem imposanten Backstein-Stadthaus in Georgetown. Sharon erinnerte sich, wie sie ihn dort besucht hatten. Ehrfurchtsvoll hatte sie den winzigen Garten hinter dem Gebäude betrachtet, ein grünes Juwel mit Efeu, Päonien, einer gemauerten Terrasse und Gartenmöbeln, die aussahen, als wären sie mehr wert als ihre Schlafzimmer- und Wohnzimmereinrichtung zusammen. Es war nicht so, dass er reich gewesen wäre; er wusste nur, wie man sein Geld ausgibt. Und er schien hart zu arbeiten, zu hart, um eine feste Freundin zu finden oder auch nur die Zeit, sich zu verlieben …
Das war im Frühling gewesen. Dylan hatte sie zum Abendessen ins Jean-Louis im Watergate-Hotel eingeladen, und sie hatten sich in seinen schwarzen Porsche 911S gequetscht, um vorher eine Stadtrundfahrt zu machen.
Dylan trug ein Pistolenhalfter. Sharon, mit Eli auf dem Beifahrersitz zusammengepfercht, sah, wie Eli die Waffe anstarrte, ihn gerne danach gefragt hätte.
»Mach nur«, flüsterte Sharon ihm zu, selbst darauf erpicht, mehr zu erfahren. »Es macht ihm garantiert nichts aus.«
»Dyl, ich dachte, du wärst nicht im Dienst!«, sagte Eli.
»Bin ich.«
»Und warum die Waffe?«
»Das bringt der Job mit sich. Man kann nie wissen.«
»Wann die Schurken aus der Unterwelt auftauchen?«, lachte Eli stillvergnügt in sich hinein.
Dylan nickte, ohne in das Lachen einzustimmen.
»Was machst du eigentlich genau?«, hatte Sharon gefragt. Sie kannte Dylan beinahe so lange wie Eli; obwohl er keine Nähe zuließ – nebenbei bemerkt, auch nicht von Eli oder seinen Eltern –, war er für sie wie ein jüngerer Bruder. »Wir wissen nur, dass du für die
Regierung
tätig bist …« Inzwischen war allgemein bekannt, dass er dem U. S. Marshals Service angehörte, der amerikanischen Bundespolizeibehörde.
»Schützen und dienen«, hatte er grinsend erwidert.
»Glaubst du etwa, wir hätten nichts Besseres zu tun, als nach Rhode Island zurückzukehren und deine geheimen Missionen zu verraten? Jetzt mal im Ernst«, hatte Eli gesagt.
»Ich bin in der Drogenfahndung eingesetzt«, sagte er.
Sie warteten auf eingehende Erläuterungen. Eli streckte die Hand aus. »Na komm, spuck’s aus …« Als Dylan schwieg, spürte Sharon, dass Eli wütend wurde. Da sie auf seinem Schoß saß, ging seine Anspannung ihr buchstäblich unter die Haut. »Ich bin dein Bruder – hast du nicht genug Vertrauen zu mir, um etwas aus dem Nähkästchen zu plaudern?«
»Dir würde ich alles anvertrauen«, entgegnete Dylan ruhig. »Glaubst du etwa, ich hätte nicht das Bedürfnis, darüber zu reden? Das hat nichts mit dir zu tun …«
»Red keinen Blödsinn«, sagte Eli. Er hatte Rotwein zum Essen getrunken, mehr als er gewöhnt war, und Sharon spürte, wie seine Frustration wuchs.
»Lass gut sein.« Sie liebkoste seinen Hals. »Lass gut sein.«
Eli hatte seine Arme um sie gelegt, hielt sie umfangen. Vielleicht hätte er sie am liebsten weggestoßen, aber das war unmöglich. Als der Wagen durch die Stadt brauste, spürte sie, wie er sich entspannte.
Dylan bog um eine Ecke. Er blickte zu ihnen hinüber, um zu sehen, wie sie reagierten, schien die Spannung im Wagen nicht zu
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