Tanz im Mondlicht
tollten im Garten umher. Jeden Tag kamen neue Kätzchen zur Welt. Einige maunzten in der Ferne, als hätten sie sich auf dem Heimweg verirrt und wollten ihre Eltern veranlassen, sie zu suchen.
Chloe hörte, wie ihr Vater oben die Stimme erhob. Es ging um »Rechnungen« und »Geld« und »diese verdammte Plantage«. Chloe erschauerte, als eine Brise durch das offene Fenster wehte, aber auch weil sie wusste, dass ihr Vater von Onkel Dylan und dem Wunsch sprach, sein Bruder möge endlich einwilligen, einen Teil des Landes zu verkaufen.
Das Telefon läutete. Chloe beeilte sich, ranzugehen.
»Hallo?«
»Ich bin’s«, sagte Mona. »Darfst du telefonieren?«
»Ja. Ich habe nur Kinoverbot. Bis nächste Woche.«
»Aha, das ist ja nicht
allzu
schlimm. Was tust du gerade?«
»Ich höre zu, wie die beiden miteinander streiten.«
»Worüber?«
»Geld.« Chloe hatte keine Lust, die Situation im Einzelnen zu erörtern, die Sache mit ihrem Vater, ihrem Onkel, Isabels Tod und der Apfelplantage, und um wie viel glücklicher ihre Eltern vor der Adoption gewesen waren. Doch zum Glück war Mona schon so lange mit ihr befreundet, dass sie die Hintergründe ohnehin mehr oder weniger kannte. Sie hatte die Spannungen, die im Haus herrschten, hautnah miterlebt. Sie wusste, dass Chloe Bauchweh von den Zwistigkeiten bekam, die nie offen ausgetragen wurden.
»Das ist nicht fair«, sagte Mona.
»Was?«
»Wenn man in eine Familie hineingeboren wird, die sich selbst zerfleischt, ist das eine Sache. Aber wenn du eingeladen wurdest, am Schlachtfest teilzunehmen, steht das auf einem anderen Blatt.«
»Was soll das heißen?«
»Ich will damit sagen, dass sie dich
adoptiert
haben
.
Wenn du ihr leiblicher Sprössling wärst, hättest du Pech – und keinerlei Regressansprüche. Aber du bist gewissermaßen ihr
Gast,
und deshalb haben sie kein Recht, sich in deiner Gegenwart selbst zu zerfleischen. Sie haben dich schließlich
eingeladen.
Du hättest locker eine andere Familie finden können. Wäre es angesichts dessen nicht angebracht, ein wenig mehr Rücksicht auf deine Gefühle zu nehmen? Es ist eine große Belastung für dich, wenn sie miteinander streiten, wenn auch hinter geschlossener Tür.«
Chloes Magen verkrampfte sich, aber Mona sprach nur Dinge aus, die sie sich selbst oft gesagt hatte. Sie wusste, dass Mona ihre Beziehung zu Betty Lou ähnlich empfand. In mancher Hinsicht glichen sich Adoptiv- und Stiefeltern. »Du hast recht«, pflichtete sie ihr bei. »Vor allem, wenn es bei dem Streit um mich geht. Mein Vater meint, ich hätte ihm Schande gemacht, weil Ace Fontaine Mitglied in seinem Rotary-Club ist.«
»Böses Mädchen«, kicherte Mona.
»Mit ihrer leiblichen Tochter wäre ihnen so etwas nie passiert.«
»Nie im Leben.«
»Sie wäre genauso perfekt wie sie. Sie würde ihr Schlafzimmer pieksauber aufräumen. Sie würde Fleisch essen, wie der Rest der Familie. Sie würde mit Sicherheit nie auf die Idee kommen, die streunenden Katzen auf der Plantage zu füttern.«
»Nein, nein, nein.«
»Und wenn doch, würde sie sich nicht vergewissern, dass das Katzenfutter weder Fleisch noch Milchprodukte enthält.«
»Oh, sind die Katzen Veganer?«
»Das muss ich noch herausfinden. Dieses Futter ist teuer. Ob ich es mir auch in Zukunft leisten kann, hängt davon ab, wie viel Onkel Dylan uns für die Arbeit am Obststand bezahlt.«
»Mmmm, Onkel Dylan.« Monas Stimme klang verträumt.
»Hör auf damit. Er trauert. Und er ist uralt.«
»Er braucht nur jemanden, der ihm hilft, wieder lieben zu lernen. Dieser Mensch könnte ich sein. Er braucht mich …«
»Er ist achtundvierzig. Älter als dein Vater.«
»Aber jünger als
dein
Vater. Wie kommt es, dass dein Onkel – als jüngerer Bruder – seinen Willen durchsetzt und das Land bestellt, obwohl dein Vater geradezu versessen darauf ist, es zu verscherbeln?«
»Weil mein Großvater wollte, dass die Plantage erhalten bleibt. Deshalb hat er eine Klausel in sein Testament aufgenommen, die besagt, dass sie nur dann verkauft werden darf, wenn beide zustimmen.«
»Hat er sein Land mehr geliebt als seine Söhne?«
Chloe hielt den Hörer in der Hand, lauschte dem Wind in den Zweigen. Mondlicht fiel auf die Apfelblüten, tauchte die Bäume in weißes Licht. Die Plantage sah aus wie ein verwunschener Garten, so dass sie sich vorstellen konnte, darin zu verschwinden und für immer glücklich zu sein. Die knatternden Geländemaschinen fehlten heute Abend.
»Ich glaube nicht«, sagte
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