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Tanz im Mondlicht

Tanz im Mondlicht

Titel: Tanz im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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vernehmen.
    »Wir haben versucht, eine Entscheidung über ihre weitere Betreuung zu treffen«, fügte Jane hinzu, und Sylvie warf ihr einen bitterbösen Blick zu.
    »Der Eingriff ist gut verlaufen«, antwortete der Arzt. »Aber es gab Komplikationen.«
    »Komplikationen?«, fragten Jane und Sylvie wie aus einem Mund, und Jane gefror das Blut in den Adern.
    »Wir haben einige vergrößerte Lymphknoten gefunden. In der Beckenregion.«
    »Oh.« Jane war erschrocken, nicht so sehr über seine Worte, sondern vielmehr über seinen ernsten Ton.
    »Sie leidet an Diabetes«, erklärte Sylvie und lächelte schwach. »Und sie ist anfällig für Infektionen. Ist das nicht eine häufige Ursache für Drüsenschwellungen? Erinnerst du dich, Jane, dass sie bei uns auch immer auftraten, wenn wir Halsschmerzen hatten? Ich weiß noch, wie Mom prüfte … sie tastete den Bereich unter dem Kinn mit den Fingern ab …«
    »Diese Lymphknoten sehen anders aus als geschwollene Drüsen«, warf Dr. Becker ein.
    »Könnte es sich um eine
schlimme
Infektion handeln?«, fragte Sylvie.
    »Ich habe mehrere entfernt. Für eine Biopsie.«
    »Sie haben eine Gewebeprobe entnommen?«
    Jane schwieg. Sie hörte ihr Blut in den Ohren rauschen. Sylvie nahm nun doch in einem der leerstehenden gelben Sessel Platz. Jane konnte sich nicht rühren. Der Doktor sprach über Objektträger, das Einfrieren von Gewebe, die Untersuchung durch einen Pathologen und dass man in wenigen Tagen mehr wisse. Er sprach von einem »Lymphom«.
    »Ist das Ihre Diagnose? Eine bösartige Lymphknotengeschwulst?«, fragte Jane, als Sylvie aufstöhnte.
    »Nein. Ganz und gar nicht. Das ist nur eine Möglichkeit von vielen.«
    Jane blickte auf Sylvies Scheitel hinab. Er wirkte so blond und hübsch im grellen Licht des Krankenhauses. Sie saß in dem gelben Sessel, machte sich so klein wie möglich. Sie hatte die Arme um den Körper geschlungen, als sei sie halb erfroren. Jane setzte sich neben sie und nahm ihre Hand. Sie bedankte sich bei Dr. Becker, der abermals das Wort ergriff und erklärte, dass die Hüftfraktur problemlos zu beheben und nur ein einziger Nagel erforderlich gewesen sei. Er teilte ihnen mit, dass sie sich noch auf der Intensivstation befand und sie bald zu ihr dürften. Dann bat er sie, sich wegen der Biopsie mit ihm in Verbindung zu setzen.
    »Das kann nicht sein, das kann nicht sein«, stöhnte Sylvie.
    »Noch wissen wir nicht, was es ist.«
    »Es könnte doch sein, dass sie nur eine schlimme Infektion hat – oder?«
    »Möglich.«
    Die beiden Schwestern saßen schweigend da. Jane schloss die Augen. Sie dachte an all die Wendepunkte in ihrem bisherigen Leben. Gehörte dieser auch dazu? Würde sie alle künftigen Ereignisse durch die Brille der Erinnerung an diesen Moment betrachten – den Moment, als Dr. Becker das Wort »Lymphom« ausgesprochen hatte?
    Jane schauderte, weil sie diese Wendepunkte im Leben zur Genüge kannte. Mehr, als ihr lieb war. Einige waren so sicher wie das Amen in der Kirche: Peng! Alles wandelte sich im Bruchteil von Sekunden. Etliche gingen ihr durch den Kopf, stürmten gleichzeitig auf sie ein: als ihre Eltern Sylvie aus der Klinik mit nach Hause gebracht hatten, als ihr Vater die Familie im Stich gelassen hatte.
    Unlängst: der Tanz am Carrie Tower. Und heute, vor wenigen Stunden: der Kuss in Dylans Küche. Beide fielen ins Gewicht, waren Ereignisse, die das Leben aus seiner bisherigen Bahn geworfen hatten. Jane kam sich wie verwandelt vor, eine Folge des Tanzes mit Dylan Chadwick. Sämtliche Zellen in ihrem Körper fühlten sich leichter an, und ihre Gedanken schweiften immer wieder ab, zu ihm; sie ertappte sich dabei, wie sie ihre Wange an der Stelle berührte, wo sein Bart gekratzt hatte, und sie stellte verwundert fest, dass sie am helllichten Tag von ihm und der Plantage träumte, dass sie den Duft von Äpfeln wahrnahm, wo es weit und breit keine gab.
    Doch die wichtigsten Wendepunkte in ihrem Leben hatten mit Chloe zu tun: mit der Nacht, in der sie gezeugt worden war, mit dem Tag, als sie das Ergebnis des Schwangerschaftstests in den Händen hielt, mit dem Abend, als Chloe geboren wurde.
    Die Fahrstuhltür öffnete sich, und John Dufour trat heraus. Er ging über den auf Hochglanz polierten gefliesten Boden zielstrebig auf Sylvie zu. Als sie ihn gewahrte, sprang sie auf und breitete die Arme aus. Sie hielten einander umschlungen, und Jane hörte, wie ihre Schwester leise weinte.
    »Sie hat möglicherweise eine

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