Tanz im Mondlicht
siebenunddreißig«, sagte sie.
Chloe reichte ihr einen Zwanziger – von dem Lohn, den Onkel Dylan ihr gezahlt hatte, ihre eiserne Reserve, eigentlich für Katzenfutter gedacht. Ihre Handflächen waren verschwitzt, vermutlich waren die Geldscheine klatschnass. Die Frau packte das Testset in eine Papiertüte und reichte Chloe das Wechselgeld. »Einen schönen …«, begann sie.
Chloe wartete nicht auf das Ende des Satzes. Sie rannte in die Eingangshalle des Krankenhauses zurück, blickte sich suchend um. Wo war die Damentoilette? Sie sah ein Zeichen und lief nach links. Als sie um die Ecke bog, sah sie eine Reihe von Münzfernsprechern, die meisten besetzt. Ein Mann schob einen Eimer vor sich her, aus dem ein Mopp herausragte. Er hängte ein gelbes Plastik-Klappschild an die geöffnete Waschraumtür, mit der Aufschrift:
Wegen Reinigung geschlossen
.
»
Nein!«, schrie Chloe. »Ich muss da rein.«
»Andere Waschräume oben!«, sagte er und deutete auf die Treppe.
»Ich kann nicht warten!«, wimmerte sie.
Sie musste sofort den Urintest machen, sonst würde sie noch einen Herzanfall bekommen. In ihrer Not war sie unfähig, eine andere Damentoilette zu suchen – aber die Herrentoilette war gleich nebenan, ohne ein gelbes Schild an der Tür.
»Da nicht rein!«, sagte der Hausmeister, als sie mit der Hand auf die Türklinke drückte. »Männer drinnen …«
»Nein«, schluchzte Chloe.
Sie veranstaltete einen solchen Wirbel, dass sich die Leute an den Münzfernsprechern umdrehten und sie anstarrten. Sie hätte sich genauso einen Zettel auf die Stirn kleben können:
Bin vermutlich schwanger und einem Nervenzusammenbruch nahe
. Gott sei Dank kannte sie niemanden.
Aber sie täuschte sich. Jane war unter den Leuten am Münzfernsprecher.
Chloe hätte eigentlich einen Schrecken bekommen müssen, doch stattdessen fühlte sie sich unsäglich erleichtert. Sie war so froh, Jane zu sehen, das Gesicht der Frau in der schwimmenden Pastete, die sie in ihrem Traum gerettet hatte, dass sie schnurstracks zu ihr rannte.
»Chloe, was ist denn?«, fragte Jane, einen Vierteldollar in der Hand.
»Bitte leg auf«, flehte Chloe.
»Ich habe noch gar nicht telefoniert.« Janes Miene war bestürzt, als sie Chloes Hand nahm und sie sanft weg von den anderen außer Hörweite lotste. »Was machst du hier?«
»Mir ist etwas passiert.« Chloe schluckte, um das Schluchzen zu unterdrücken, das in ihr aufstieg und sie übermannte. »Etwas Schlimmes, mit Zeke auf der Plantage …«
»Hat er dich verletzt?«
Janes Frage löste den Druck in ihrer Brust, und Chloe brach in Tränen aus, fühlte sie heiß ihre Wangen hinabrinnen. Er hatte sie furchtbar verletzt … Sie nickte; es gab so viel zu sagen, aber sie brachte nur ein Flüstern heraus, mit zittriger Stimme: »Es könnte sein, dass ich schwanger bin.«
Kapitel 19
S ie saßen in Janes Kombi, der auf dem Parkplatz des Krankenhauses stand. Sie wusste, Sylvie rechnete damit, dass sie umgehend in die Notaufnahme zurückkehrte, doch nichts auf der Welt hätte sie in diesem Augenblick von Chloe fernhalten können. Sie saß auf dem Fahrersitz und wartete schweigend, bis Chloes Tränen versiegt waren.
»Alles in Ordnung?« Sie reichte ihr die nächste, mit Kaffeeflecken übersäte Papierserviette von Dunkin Donuts.
Chloe nickte, putzte sich geräuschvoll die Nase. »Ich denke schon. Aber ich muss trotzdem den Test machen. Vielleicht ist die Damentoilette inzwischen fertig geputzt.«
»Warte noch eine Sekunde. Chloe, was hast du damit gemeint, dir sei etwas Schlimmes passiert?«
»Nichts, ehrlich.«
»Das klang aber ganz und gar nicht so; du sagtest, dir sei etwas Schlimmes passiert, auf der Plantage, mit Zeke – wer ist das?«
»Nur ein Riesenblödmann, ein widerlicher Hai.«
»Dein Freund?«
Chloe schüttelte heftig den Kopf. Ihre Augen waren wachsam, ihre Wangenmuskeln angespannt. Doch plötzlich brach sie abermals in Tränen aus und verbarg ihr Gesicht in der durchweichten Serviette. Jane brach es das Herz, als Chloe zu schluchzen begann. Der Kummer schien aus tiefster Seele zu kommen; es klang, als sei sie am Boden zerstört. Jane ergriff ihre tränennasse Hand. Sie konnte ihren Schmerz nachfühlen, erinnerte sich, wie sie um Jeffrey geweint hatte.
»Ich … dachte … er wäre …«, schluchzte Chloe.
»Was hat er dir angetan?«
»Er … hat mich … Zoe genannt!«
»Statt Chloe?«
Chloe nickte. »Er hat so getan, als wäre das Absicht gewesen. Damit mein Name den
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