Tanz im Mondlicht
Lächeln.
»Was ist passiert?«
»Das war meine Schwester.« Sie hielt das Handy in der Hand, als hätte sie vergessen, wie man es zuklappt. »Sylvie hat mehrmals versucht, mich zu erreichen … meine Mutter musste ins Krankenhaus.«
Kapitel 18
M om ist gestürzt«, sagte Sylvie, als Jane aus dem Fahrstuhl trat.
»Alles in Ordnung mit ihr?« Jane umarmte ihre Schwester.
»Sie hat sich die Hüfte gebrochen und wird gerade operiert.«
Jane lehnte sich zurück und versuchte, in Sylvies Augen zu lesen. Sie waren umwölkt, offenbar vor Verzweiflung. Ihre Schultern waren gebeugt, woran Jane erkannte, dass mehr dahintersteckte.
»Wie ist das passiert?«
»Sie ist aus dem Bett aufgestanden. Sie wollte die Treppe hinuntergehen und hat den Halt verloren. Als ich dazukam, meinte sie, sie müsse mir dringend etwas sagen. Nur, dass sie mich mit
dir
verwechselt hat …«
Sylvie konnte ihr nicht in die Augen blicken. »Ich war nicht zu Hause«, fügte sie hastig hinzu. Erst jetzt bemerkte Jane, dass sich ihre Schwester in Schale geworfen hatte: blaues Kleid, Schuhe mit hohen Absätzen, schicke Frisur. »John hatte mich gebeten, in seiner Klasse einen Vortrag über die optimale Nutzung der Bibliothek und das Dewey-Dezimalsystem zu halten, das wenig bekannt ist. Ich hatte dich bitten wollen, bei Mom zu bleiben, aber du warst verschwunden, bevor sich die Gelegenheit bot …«
»Ich habe Pasteten ausgeliefert.« Jane schauderte, als sie sich daran erinnerte, wie Dylan sie umarmt und was er über Chloe und die Trauer um ihre leibliche Mutter gesagt hatte.
Seine Berührung auf ihrer Haut. Sie schlang die Arme um ihren Körper, um sie zu bewahren.
Die Situation war verworren und verzwickt, keine Frage. Ihre Mutter lag im Krankenhaus. Und Jane kam sich vor wie die Mata Hari von Chadwick Orchards. Sie hatte Dylan benutzt, um Kontakt zu Chloe zu bekommen, aber eines nicht bedacht: die Möglichkeit, dass sie sich in ihn verlieben könnte. Ihr gefiel seine Art, seine Liebe zur Plantage, die Zuneigung, die er für Chloe empfand, das Verständnis für ihre Trauer. Sie hatte an diesem Nachmittag ein paar Augenblicke lang das Gefühl gehabt, dass ihr sein Herz gehörte.
Sie zog sich einen anzüglichen Blick von Sylvie zu, doch das war rein gar nichts verglichen mit dem Tumult in ihrem Inneren.
»Mein Referat sollte auf eine Unterrichtsstunde beschränkt sein. Ich erzählte Mom davon. Sie hielt es für eine großartige Idee und versprach –
hoch und heilig
–, das Bett nicht zu verlassen. Ich machte ihr ein kleines Tablett zurecht, vergewisserte mich, dass sie die Toilette benutzte, bevor ich ging … Sie wirkte rundum zufrieden. Sie las Chaucer, als ich mich verabschiedete.«
Jane versuchte zu lächeln. Ihre Mutter: Sie las Chaucer wie andere Leute Kriminalromane. Gespannt verschlang sie Seite um Seite, nicht um zu erfahren, wie es weiterging – sie hatte die Erzählungen schon hundertmal gelesen –, sondern wegen der Sprache, die sie bewunderte.
»Irgendwann ist ihr vermutlich eingefallen, dass sie unbedingt mit dir reden muss. Also stand sie auf, schleppte sich bis zur Treppe, stolperte und fiel sämtliche Stufen hinunter.« Sylvie blickte reumütig auf ihre Schuhe. »Als ich zurückkam, lag sie schon dort, aber ich habe keine Ahnung, wie lange. Ich blieb ein wenig länger als geplant … John und ich gingen nach dem Unterricht noch ins Lehrerzimmer, um Kaffee zu trinken … alle meine alten Freunde waren da, und wir tauschten Neuigkeiten aus, während … Mom mit einer gebrochenen Hüfte auf dem Fußboden lag.«
»Sylvie, es ist nicht deine Schuld.«
»Ich habe aber das Gefühl, uns beide trifft die Schuld.«
»Moment – ich denke nicht daran, mir ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen.«
»Ich hätte geschworen, dass du mir erzählt hast, du hättest heute nichts weiter vor.«
»Ich sagte, es sei nichts
geplant
. Aber das bedeutet nicht, dass sich nicht etwas ergeben könnte.«
»Du hast kein Wort davon gesagt, dass du wegfährst!«
Das stimmte. Jane hatte gewartet, bis Sylvie unter der Dusche stand, bis sie das heiße Wasser zischen hörte, bevor sie ihre Pasteten im Kombi verstaut hatte und losgebraust war. Sie wollte nicht hören, was Sylvie von ihrem Besuch bei den Chadwicks hielt.
»Du hast den Wagen mitgenommen, und ich musste John anrufen und ihn bitten, mich in der Pause abzuholen«, sagte Sylvie vorwurfsvoll. »Das ist schlimm genug. Aber unsere Mutter war allein und ist
gestürzt
. Sie
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