Tanz mit dem Engel
Bullen in London gesprochen habt und daß ihr den Zusammenhang hier eindeutig definiert habt.«
Winter antwortete nicht. Er führte den ausgegangenen Zigarillo an die Lippen, aber er spürte den widerlichen Geschmack kalten Rauchs und legte ihn zurück in den
Aschenbecher.
»Den Zusammenhang«, wiederholte Bülow.
»Wir untersuchen einen Mord in Göteborg und nichts anderes.«
»Auch das wird man euch kaum glauben, es waren nicht viele Details, die du gestern auf der Pressekonferenz genannt hast.«
»Nein.«
»Müßt ihr darüber auch mit Interpol korrespondieren? Sind das die neuen EU-Vorschriften?«
»Vielleicht.«
»Jetzt komm schon, Erik.«
»Komm schon? Das Recht der Allgemeinheit auf Information, was? Worüber? Wie viele Wunden dieser Junge am Körper hatte? Wie viele Löcher er in den Hornhäuten hatte? Welche Mitteilung der Mörder in seinen Rücken geritzt hatte? Wie das Blut an einer Wand in einem gewissen Gegenlicht aussieht, je nachdem, wo man im Zimmer steht?«
»Okay, okay.«
»Gerade jetzt kann ich nichts sagen, das verstehst du doch, Hans.«
»Die Leute haben Angst.«
»Sollen wir sie noch mehr erschrecken?«
»Es kann auch umgekehrt wirken.«
»Was?«
»Hält man die Klappe, fangen die Spekulationen an, und dann breitet sich Panik aus.«
»Herrscht etwa Panik in Göteborg?«
»Auf lange Sicht kann das so kommen«, sagte Bülow.
»Da liegen wir auf der gleichen Linie«, meinte Winter.
»Auf lange Sicht.«
»Du kannst sehen, in welche Richtung du willst, aber ich würde westwärts empfehlen«, sagte Bülow. »Die englischen Journalisten rufen schon hier an, und wenn wir schwedische Journalisten mit englischen Zeilenschindern vergleichen, dann sprechen wir von völlig verschiedenen Rassen.«
»Die sind nicht so nett wie ihr, meinst du?«
»Die sind die Hooligans der Journaille.«
Winter antwortete nicht darauf. Er griff zum Stift und schrieb einen Satz in das Notizbuch auf dem Tisch.
»You ain't seen nothing yet«, sagte Bülow.
»Eigentlich bin ich erstaunt, daß sie nicht in größeren Massen herübergekommen sind.«
»Du bist also geistig darauf eingestellt.«
»Wir hatten doch fünf auf der Pressekonferenz. Ziemlich harmlose.«
»Die hatten einen Kater wie Elche.«
»War noch was?« fragte Winter nach zwei Sekunden Schweigen.
»Also: eine größere Offenheit, bitte.«
»Vielleicht rufe ich dich schon heute abend an.«
»Das wußte ich.«
»Du siehst, wie zügig die Ermittlung vorangeht.«
»Während wir uns unterhalten haben.«
»Hinter diesen scherzhaften Worten versteckt sich ein Subtext, der in seiner Wirklichkeitsnähe entsetzlich ist«, sagte Winter.
»Wenn es an die Oberfläche kommt, können wir von Panik sprechen, und das will ich aus den Medien heraushalten.«
»Einen schönen Vormittag«, sagte Bülow.
Nach der Mittagspause kamen sie im Konferenzzimmer zusammen. Die Gruppe schrumpfte im selben Maß, in dem die Papierstapel der Untersuchung größer und höher wurden. Gegenstände gingen vom Labor ein und wurden nach und nach in bizarre Schubladen und Mappen gelegt: Haar, Haut, ein Splitter eines Nagels, Abdrücke, Spuren, Teile der Kleidung; Fotografien, die das gleiche noch einmal sagten, aber aus einem anderen Blickwinkel; ein Schrein gefüllt mit all den Rufen, die Erik Winter gehört hatte, als er zum letztenmal in dem Zimmer stand.
Er hatte mit Pia Erikson Fröberg gesprochen, und sie glaubte nicht, daß alle Hiebe gleichzeitig gekommen waren. Sie war eine gute Gerichtsmedizinerin, sehr genau. Die Zahl der Hiebe war auf einem Zettel in seiner Innentasche vermerkt, den er jetzt vorholte. Der Junge war schließlich durch Ersticken gestorben. Bis dahin kannten alle im Zimmer die Einzelheiten.
»Wie lange hat das gedauert?« fragte Fredrik Halders. Kriminalinspektor Halders war gerade 44 geworden, und im Jahr zuvor hatte er aufgehört, sich das Haar über die Glatze zu kämmen, und das, was noch vorhanden war, zentimeterkurz geschnitten. Sein Selbstvertrauen war gestiegen, und deshalb hatte er aufgehört, zu lächeln oder den Mund zu einem Lächeln zu verziehen, wenn Leute ihn ansprachen.
»Es war eine lange Vorstellung«, antwortete Erik Winter.
»Keine Pause dazwischen?« fragte Fredrik Halders.
»Mehrere Pausen«, sagte Bertil Ringmar.
»Zwischen der ersten Schnittfläche und der letzten liegen einige Stunden«, erklärte Winter, »und näher können wir es nicht eingrenzen. Drei Stunden, vielleicht vier.«
»Pfui Teufel«, sagte Lars
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