Tanz mit dem Engel
heraus, legte es in die Spüle und nahm den Teebecher mit ins Wohnzimmer. Er schaltete Coltrane auf dem CD-Player ein und nippte am Tee und ließ den Abend zur Nacht werden. Eine Bodenlampe vor einem der Bücherregale war die einzige Lichtquelle. Er stellte sich ans Fenster und versuchte, hinaus auf die Stadt zu blicken, sah aber nur das eigene Spiegelbild.
7
Es war Samstag. Hilliers wohnte südlich vom Fluß, und Steve Macdonald hielt den ganzen Weg auf der A 236 Richtung Westen Abstand. Im großen und ganzen war er darin der einzige, ein Alter mit Hut bin ich, tralala tralala, unter allen, die sich mit Schwung und Glück hier tummeln, dachte er und reizte einen Vauxhall hinter sich zur Weißglut. Der Fahrer hatte ihm schon den Vogel gezeigt, bevor sie Nord-Croydon verließen.
Überhol, überhol mit Schwung und Glück, murmelte Macdonald und wartete auf den Verrückten hinter sich. Ich bin heute auch nicht heiter, überhol, überhol, damit ich deine Nummer durchtelefonieren kann, Kumpel. Weiter vorn sah er die Straße sich gabeln: Er würde nach links abbiegen und zusehen müssen, wie der andere huuupend und heueueulend nach rechts vorbeifuhr und triumphierend den Finger zum Himmel reckte.
Wir sind eine Nation von Hooligans, dachte Macdonald, wir flegeln uns zum nächsten Match durch, indem wir mit unseren Fingern auf den Großen Coach im Himmel zeigen. Der Kerl eben war bestimmt auf dem Weg zum Spiel in Brentford. Griffin Park. Der Ort, wohin man ging an einem Tag wie diesem im wilden jungen Februar. Ein paar Stunden in Gesellschaft fröhlicher Freunde.
Er kam in Tulse Hill an und parkte vor dem Haus in der Palace Road. Die Farbe an der Fassade sah frisch aus. Die Bevölkerung war alte Mittelschicht, die sich dafür entschieden hatte dazubleiben, als in der Umgebung die Kriegszonen eingerichtet wurden. Als Macdonald aus dem Auto stieg, konnte er oben im Brockwell Park die Explosionen hören. Die Fenster waren schwarz, aber er wußte, daß die Eltern drinnen warteten. Gott sei Dank, daß ich nicht der erste mit der Nachricht bin, dachte er. Oder ist das vielleicht ein Nachteil, weil der Schock jetzt nachgelassen haben kann?
Er schlug den Türklopfer an, und sofort wurde die Tür geöffnet, als hätte die Frau hinter der Tür gestanden und den ganzen Vormittag gewartet. Trotz aller mentalen Vorbereitung sieht sie aus, als wäre ich gerade in ihr Haus eingebrochen, dachte Macdonald.
»Mrs. Hillier?«
»Ja. Kriminalkommissar Macdonald?«
Er antwortete bejahend und zeigte seinen Ausweis. Sie warf keinen Blick darauf. Mit einer Geste bat sie ihn ins Haus.
»Kommen Sie herein.«
Diese Hausbesuche, dachte er. Davon träumen wir in unserer: Alpträumen. Das bin ich. Es sind solche wie ich, von denen man in seinen angsterfüllten Träumen träumt.
Der gerade Flur führte zum Wohnzimmer. Am anderen Ende des Zimmers fiel Licht auf den Mann, der in der Mitte eines ausladenden Sofas saß. Macdonald hörte ein fernes Quietschen und sah den Zug der British Rail südwärts vorbeischaukeln, 100 Meter unterhalb eines kahlen Abhangs.
»Wir fahren nie Zug«, sagte der Mann auf dem Sofa.
Macdonald stellte sich vor. Der Mann machte den Eindruck, taub zu sein.
»Das hier ist ein Teil von London, der von Eisenbahngleisen entstellt ist, das ist sogar schlimmer als der Schnellstraßenbau«, sagte der Mann.
Macdonald fielen die Flaschen auf dem Tisch rechts von dem Mann auf, und das Glas, das vor den Flaschen stand.
Der Mann griff danach und hielt es ans Kinn. Er guckte den Besucher an. Macdonald trat einen Schritt vor. Er sah, daß die Augen des Mannes trüb und weißlich waren, an der Grenze zur Blindheit. Er konnte nicht entscheiden, ob es an einer Krankheit oder am Alkohol lag.
»Nein, ich bin nicht blind«, sagte der Mann, der seine Gedanken gelesen hatte. »Ich bin bloß besoffen. Seit Punkt elf heute vormittag.«
»Darf ich Platz nehmen?« fragte Macdonald.
»Nehmen Sie Platz und platzen Sie meinetwegen«, sagte der Mann, der Geoff Hilliers Vater war. Winston Hillier raspelte ein Lachen, das aus seinem Mund zischte, aber nicht bis zu den Nasenlöchern reichte.
»Ich habe zu Geoff gesagt, daß das eine gute Idee war«, sagte er nun und stand auf, um ein sauberes Glas aus dem Regal an der Wand hinter ihm zu holen.
»Gin oder Whisky?« fragte er und drohte gewissermaßen mit dem Glas in Macdonalds Richtung.
»Einen halben Tropfen Whisky«, sagte Macdonald.
»Schotte?«
»Ja.«
»Von wo?«
»Ein wenig außerhalb
Weitere Kostenlose Bücher