Tanz mit dem Engel
von Inverness.« »Am See?«
»Nach der anderen Seite hin.« Macdonald nahm das bis zum Rand gefüllte Glas und roch am Alkohol.
»Ich hoffe, ein Blend tut's auch«, sagte Winston und stellte die Flasche auf den Tisch.
»Aber ja.«
»Schotten sollten wohl eigentlich Malt bekommen.« »Es gibt so gut wie keine Schotten, die sich Maltwhisky leisten können«, sagte Macdonald und hob sein Glas. Er stellte es ab, ohne zu trinken. Winston Hillier blickte zum Fenster hinaus.
»Ich fand, es hörte sich spannend an«, sagte er, ohne auf irgendeine Frage zu antworten, sondern mit dem Blick auf einem neuen Zug, der unten vorwärtsstampfte, unterhalb des Abhangs, der im Dämmerlicht immer grauer und älter wurde. »Ein neues Land für einen jungen Mann, für längere Zeit. Eine internationale Ausbildung in dieser schönen neuen Welt.«
Er nahm einen großen Schluck aus seinem Glas mit Gin Tonic.
»Warum gerade... Schweden?« fragte Macdonald. »Warum nicht?«
»Gab es einen besonderen Grund?«
Macdonald hörte ein Geräusch hinter sich und drehte sich um. Die Frau kam mit dem Nachmittagstee. Es duftete nach warmen Scones, und er schob das Whiskyglas vorsichtig aus der Tischmitte.
»Gab es keinen besonderen Grund dafür, daß er Schweden wählte?« wiederholte er.
»Keinen andern, als daß er seit langem eine Brieffreundin in Göteborg hatte«, sagte die Frau und setzte sich neben ihren Mann. Sie stellte Tassen und Kuchenteller hin.
»Deshalb fuhr er nach Göteborg«, sagte Winston Hillier.
»Wie hat er von der Ausbildung gehört?«
»Durch die hiesige Schule«, antwortete die Frau, die, wie Macdonald wußte, Karen hieß.
»Geoff hat immer In-ge-ni-eur werden wollen, und er hat sich für diese Schule da in-ter-es-siert«, erklärte Winston Hillier mit leicht verschwommener Aussprache.
»Dann hatte sie auch einen englischen Namen«, fügte er hinzu. »Chandlers oder so.«
»Chalmers«, sagte die Frau.
»Chalmers«, wiederholte er.
»Er bekam auch einen Brief«, sagte die Frau und wandte sich an Macdonald.
»Von der Schule?«
»Nein. Er bekam einen Brief von jemandem in Göteborg, und der schien schließlich den Ausschlag zu geben, daß er diese Ausbildung probieren wollte. Diese Schu. Schule.«
Macdonald merkte, wie schwer es für sie gewesen war, so lange zu sprechen, in einem Zug.
»Einen privaten Brief?«
»Was sonst?« fragte Winston Hillier.
»War der von der alten Brieffreundin?«
»Wir wissen es nicht«, sagte die Frau.
Macdonald wartete, sagte nichts.
»Er hat ihn uns nie gezeigt«, sagte Winston Hillier, »und das war ja nicht so merkwürdig, aber er wollte uns auch nicht sagen, von wem er war.«
»Nur, daß er ihn bekommen hatte«, sagte die Frau.
»Aus Schweden?«
»Göteborg«, sagte Winston Hillier.
Macdonald hörte noch einen Zug in der Ferne rasseln. Nach einer Weile klang er schärfer und blecherner, als ob sich das Geräusch nach und nach innen im Haus verstärkte.
»Und er schrieb oder erwähnte nichts davon, nachdem er. dort angekommen und in das Zimmer eingezogen war?«
»Nein.«
»Etwas von anderen, die er getroffen hatte?«
»Nein.«
»Nichts?«
»ER WAR JA VERDAMMT NOCH MAL GERADE ERST EINGEZOGEN, ALS ER ERMORDET WURDE, VERDAMMT«, schrie Winston Hillier und starrte Macdonald mit roten Augen an.
Dann warf er sich vom Sofa und blieb mit dem Gesicht zum Fußboden liegen.
»Verschwinden Sie«, hörte man seine Stimme, gedämpft vom Teppichboden.
Die Frau sah Macdonald mit einem Blick an, als bäte sie um Entschuldigung für ihrer beider Trauer.
Hier sind verdammt keine Entschuldigungen nötig, dachte Macdonald. Hier bin ich es, der um Entschuldigung bittet.
»Ver-schwin-den Sie«, wiederholte der Mann auf dem Boden, und Macdonald machte der Frau ein Zeichen, und sie gingen in die Küche. Er stellte einige kurze Fragen und bekam einen Namen und eine Adresse und rief dann einen guten Arzt an, den er kannte und der ihm einen Gefallen schuldete.
»Hauen Sie ab zu Ihrem verdammten SEEUNGEHEUER!« hörte man die Stimme des Mannes von der anderen Seite des Hauses. Sie war deutlicher. Er hatte den Kopf gehoben.
»Soll ich bleiben, bis mein Freund kommt?«
»Nein nein. Es besteht keine Gefahr.«
»Bestimmt nicht?«
»Winston trinkt sonst nicht so viel. Er ist es nicht gewohnt. Ehe Sie durch die Tür sind, ist er eingeschlafen.«
Mit jeder Minute, die sich ihr Mann der Bewußtlosigkeit nähert, wirkt sie stärker, dachte Macdonald. Das ist mehr, als man von mir sagen
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