Tanz mit dem Engel
Alptraum für Douglas.
Zwei Polizisten mit einer raschen Überprüfung und dann Douglas, aber Winter war eigentlich der erste drinnen, hinterher, und es rauschte schwach zwischen den Ohren, und seine Augen waren weit offen. Er vermied es, auf ein paar sich entfernende Fußspuren im Flur zu treten. Nichts an den Wänden und nichts an der Tür. Er hörte die Techniker auf der Treppe herumalbern, und dort sollten sie bleiben, bis er sie hereinließ.
Er wußte jetzt schon, daß er mindestens noch einmal hierher zurückkommen würde, nachdem die Leiche fortgebracht wäre, und daß seine Suche dann von dem abhinge, was er jetzt fände.
Das Licht im Flur reichte aus, damit er etwas sehen konnte. Rechts fiel es vom Bad herein. Angeschaltet, als sie hereinkamen? Kein Bulle war wohl so dumm, es anzuschalten, aber man konnte nie wissen.
Er stellte sich auf die Schwelle und blickte in die Badewanne hinunter. Sie war streifig befleckt, aber weniger, als man vermutet hätte. Er hat sich Zeit gelassen, dachte Winter.
Er blickte ins Waschbecken, das gleiche hier und drei Spuren auf der Plastikmatte auf dem Boden.
Er drehte sich nach links und stand genau gegenüber der Küche, und als er hineinging, konnte er nichts erkennen, was die Ordnung der Wohnung gestört hätte, außer daß an dem kleinen Tisch ein Hocker stand, wo zwei hätten stehen sollen.
Der Junge saß auf dem Küchenhocker mitten im Zimmer, mit dem Rücken zur Tür. Winter hatte ihn nicht früher sehen können, weil die Tür nur halb geöffnet war und der Flur in einem leichten Knick von der Küche zum Bad gebaut war.
Er hatte kein Hemd an, trug aber eine lange Hose, er hatte Socken an, aber keine Schuhe, keinen Gürtel in der Hose. An der linken Schulter hatte er eine Tätowierung in Blau und Rot, und als Winter zwischen den Spuren auf dem Fußboden vorsichtig näher trat, sah er, daß die Tätowierung ein Auto darstellte, aber er konnte nicht erkennen, welche Marke.
Die Schultern und Oberarme waren glatt, ein blauschimmernder Ton wie von Kälte. Vom Oberkörper des Jungen konnte Winter nicht mehr sehen. Die Hose und die Socken beulten sich, angeschwollen, nahe am Bersten. Das ist es, was ihn zusammenhält, dachte Winter. Das Gesicht wies keine Verletzungen auf.
Auf dem Tisch neben dem Jungen standen eine Flasche Rotwein, fast voll, und zwei Gläser, eines mit Wein. Winter beugte sich vor und roch daran, es roch wie Wein. Das andere Glas sah unberührt aus. Keine Zeit für ein
Skäl.
Das Zimmer war einfach möbliert, wie bei häufig wechselnden Mietern zu erwarten. Ein Zweiersofa, kein Sessel, kein Bücherregal, keine Blumen, einfache Gardinen, farblos im Licht zwischen den dreiviertel geöffneten Jalousien. Ein CD-Player auf einer kleinen Bank aus unbehandeltem Holz, ein Ständer an der Wand mit rund zwanzig CDs. Winter ging um das Sofa herum, an der Wand entlang, und las einige Titel von oben her: Pigeonhead, Oasis, Blur, Daft Punk. Morrissey. Kein Jazz. Eine CD lag im Player, das Fach stand offen. Winter beugte sich hinab und las den Namen des Künstlers.
Er paßte auf, daß er die Tapete nicht berührte. Das Blut auf dem Boden wies ein Kreismuster auf, das er aus dem früheren Zimmer wiedererkannte, ein Kreis vor dem Hocker, auf dem der Junge saß. Eine Art Eiform auf die Tür zum Flur zu.
Wie viele Schritte?
Ungefähr zwei Meter von der Tür ins Zimmer hinein war der Boden ohne Muster, fast ohne Spuren. Winter atmete tief ein, schnupperte die Düfte. Er hörte etwas von der anderen Seite der Westwand, etwas wie einen Schall oder vielleicht ein mechanisches Geräusch. Wenn man hier etwas hörte, dann hörte man auch dort etwas.
Er dachte daran, daß er seine eigenen Nachbarn nie hörte, keine Geräusche, außer wenn sie das Treppenhaus betraten, an der alten Fahrstuhltür rüttelten und rissen und mit der Kette der inneren Tür rasselten.
Nach einer Viertelstunde verließ er die Wohnung des
Jungen und gab den Technikern ein Zeichen. Er ging die Treppe hinunter, hinaus in die Sonne, und stellte sich der Öffentlichkeit.
Hinterher war er sich nicht sicher, ob Halders oder Möllerström den Namen aufgebracht hatte: Hitchcock. »Das bleibt aber unter uns«, hatte er gesagt. Er hieß es nicht gut, aber von da an dachte er an den Mörder als Hitchcock.
Merkwürdig war nur, oder vielleicht war es gar nicht so merkwürdig, daß die Kollegen in London ihren Mann wenig später auf den gleichen Namen getauft hatten, ohne daß sie voneinander wissen
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