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Tanz mit dem Engel

Tanz mit dem Engel

Titel: Tanz mit dem Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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hatte nur alte Geschichten gehört, seit er angefangen hatte. Vielleicht war Winter diskreter geworden oder einfach ruhiger. Was von beiden war Bergenhem egal. Daran dachte er nicht, wenn er über Winter nachdachte.
    Was bin ich in zwölf, dreizehn Jahren? Er sog den Duft von Martinas Haar ein. Liege ich dann noch immer mit den gleichen Gedanken über das, was ringsum geschieht, im Bett? Manche tragen zerrissene Schuh. Wie viele mehr werden es in zwölf, dreizehn Jahren sein?
    »Woran denkst du?«
    Martina drehte sich nach rechts, ein wenig unbeholfen, stützte sich mit der rechten Hand und hob die Beine. Er strich über den Murkel. Martinas Bauch stand vor wie ein stumpfer Keil oder wie einer von diesen Kegeln, die die Mannschaften benutzten, wenn sie Fußball trainierten. Er spielte nicht mehr Fußball, und der Trainer hatte gesagt, er hoffe um Bergenhems willen, daß es nicht noch mehr ernste Fehler im früheren Leben des Spielers gäbe.
    »Nichts Besonderes«, antwortete er.
    »Berichte trotzdem.«
    »Manche tragen zerrissene Schuh'.«
    »Was meinst du damit?«
    »Nur das. Manche tragen zerrissene Schuh'. Daran habe ich gedacht.«
    »Das klingt wie ein Lied oder so.«
    »Ich glaube, es ist ein Lied eines Liedermachers aus alten Zeiten. Aber ich habe die Melodie mit der Band Eldkvarn gehört, glaube ich. Vreeswijk... Vreeswijk heißt er, der Liedermacher. Oder hieß. Ich glaube, er ist tot.«
    »Manche tragen zerrissene Schuh'.«
    »Ja.«
    »Das ist ein guter Titel.« »Mhm.«
    »Man kann sie vor sich sehen. Die in zerrissenen Schuhen gehen.«
    »In diesem Moment?«
    »Es gibt doch den einen oder anderen«, sagte sie und machte eine unbestimmte Geste zum Zimmer hin oder vielleicht zur Stadt unterhalb des Bergs. »Denkst du daran?«
    »Nicht besonders viel und nicht in letzter Zeit, wenn ich ehrlich bin«, sagte sie und strich sich mit der Hand über den Bauch.
    »Da!«
    »Was?«
    »Leg deine Hand dahin. Nein, da. Spürst du?«
    Er spürte es, erst war nichts und dann: eine Bewegung oder das Gefühl einer Bewegung.
    »Spürst du?« wiederholte sie.
    »Ich glaube.«
    »Was für ein Gefühl ist das?« Sie legte ihre Hand auf seine.
    »Ich weiß nicht, ob man das beschreiben kann«, sagte er. »Gib mir ein paar Stunden, dann fällt mir vielleicht etwas ein.«
    »Das sagst du jedesmal.« »Heute abend fällt mir was ein.«
    Sie sagte nichts, schloß die Augen, hatte die Hand noch immer über seiner und ihrem Bauch, und er spürte wieder ein Zucken darin.
    So lagen sie, bis der Küchenwecker auf dem Regal am Herd rasselte.
    »Die Kartoffeln«, sagte sie, ohne sich zu rühren.
    »Scheiß drauf«, sagte er und lächelte.
    »Meinst du, daß ich für diesen Beruf zu weich bin?« fragte er, als sie aßen. »Daß es so aussieht, als würde ich es nicht packen?«
    »Nein.«
    »Sag, was du meinst.«
    »Wie kann ich sagen, daß ich dich für zu weich halte, Lars? Je weicher, desto besser.«
    »Für die Arbeit?«
    »Was?«
    »Zu weich für die Arbeit?« »Das wäre doch gut.« »Zu weich zu sein?«
    »Es ist doch so eine Arbeit, wo man zu schnell hart wird, und Jas muß doch schlimmer sein.«
    »Ich weiß nicht. Manchmal ist mir zumute, als könnte ich den Tag oder die Woche nicht durchstehen«, sagte er. »Vielleicht kommt es daher, daß es neu ist.«
    »Erhalt dir deine Zweifel.«
    »Was?«
    »Du darfst nicht steif und hart werden«, sagte sie.
    »Dann ist es besser, weich zu sein?«
    »Dann ist es viel besser, weich zu sein wie ein zu lange gekochter Spargel.«
    »Aber manchmal bin ich doch wie ein ungekochter Spargel.«
    »Wieso?«
    »Steif und hart.«
    »Willst du steif und hart sein?«
    »Ich spreche nicht vom ganzen Selbst.«
    »Sollte der steif und hart sein?«
    »Wer denn?«
    »Der«, sagte sie und deutete auf seinen Oberarm, lehnte sich dann über den Tisch und betastete seinen Trizeps. »Gekochter Spargel.«
    »Ich spreche nicht von etwas über der Taille.«
    »Ich verstehe gar nicht, was du meinst«, sagte sie und fing an zu lachen.
    Lars Bergenhem traf Johan Bölger in Bölgers Bar. Er ist genauso groß wie Winter, wirkt aber doppelt so breit, dachte Bergenhem. Vielleicht ist es die Lederjacke, oder es liegt am Gesicht. Ich bin schon drei Minuten hier, und er hat noch keinen Muskel bewegt. Er ist gleichaltrig mit Winter, aber es ist schwer zu entscheiden, wie alt Leute sind, die zwischen dreißig und vierzig pendeln. Solange man das noch nicht erreicht hat, sieht man weiterhin wie ein Spargel aus.
    »Sie sehen nicht

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