Tanz mit dem Engel
Espressomaschine in Gang.
»Damit wir garantiert heute nacht nicht schlafen können«, sagte er.
»Nicht daß ich direkt etwas hätte, das dich schläfrig macht«, sagte Bölger, »oder schlaflos, was das betrifft.«
»Dennoch bist du hergekommen.«
»Tja...«
»Es ist schon eine Weile her, daß du hier warst.«
»Tatsächlich kann ich mich nicht erinnern. Ich war wohl nicht ganz nüchtern.«
»Du warst wegen irgendwas sauer.«
»Immer soll. «
»Was? Du mußt mit deinem Zahnarzt reden.« Bölger feixte.
»Die Zähne scheinen den Worten im Weg zu sein«, fuhr Winter fort.
Er schenkte Kaffee in kleine Tassen ein, stellte sie auf den Tisch, holte die Maschine und setzte sich Bölger gegenüber. Er sieht aus, als wäre er auf der Hut, dachte er. Wir kennen uns seit dem Gymnasium, und er sieht gar nicht viel älter aus, wenn man nicht zu genau hinschaut.
»Was hast du gehört?« fragte Winter.
»Er scheint ein beliebter Bursche gewesen zu sein, aber das gilt wohl für viele Barkeeper.«
»Wenigstens zu Beginn des Abends.«
Bölger trank vom Kaffee und zog eine Grimasse.
»Schmeckt wie geschmolzener Asphalt.«
»Gut.«
»War es Absicht, daß man ihn kauen soll?«
»Ja.«
»Beliebt, wie gesagt, aber das ist halt so bei denen, die in Pubs oder Klubs arbeiten... immer umgeben von Leuten, die man nicht direkt Freunde nennen kann.«
»Mhm.«
»Solche, die man eher als oberflächliche Bekannte bezeichnet.«
»Aber dieser Robertson muß doch darüber hinaus Freundschaften gehabt haben.«
»Mit ein paar Jungen war er befreundet«, sagte Bölger und trank diesmal, ohne das Gesicht zu verziehen.
»Aha?«
»Hab' ich gehört. Oder Douglas, der das Lokal betreibt. Nichts, was er beweisen kann, aber. na ja. so was merkt man. Er wußte ein paar Namen, ich hab' sie hier, wenn du sie brauchen kannst.«
Er holte die Brieftasche vor, zog einen Zettel heraus und gab ihn Winter.
»Danke.«
»Jungen im gleichen Alter, soviel ich weiß.« »Mhm.«
»Wahrscheinlich Schwule.« »Ja.«
»Weiß nicht, ob sie zum gewalttätigen Typ gehören.«
Winter antwortete nicht. Er las die Namen auf dem Zettel und steckte ihn dann in die Brusttasche.
»Wie hat es sonst auf die Leute in der Branche gewirkt?« fragte er, nachdem er selbst von dem Kaffee getrunken hatte. Er war stark, wie eine bittere Arznei, die man freiwillig schluckt, eigentlich ohne zu wissen, warum.
»Ein bißchen störend, aber nichts, was man sich richtig zu Herzen nimmt.« »Nein.«
»Es ist ja wohl kaum passiert, weil er Barkeeper war?« »Nein.«
»Ein falsch dosierter Lumumba. Das Opfer grübelte und grübelte über die Schmach und übte schließlich Rache.«
»Vielleicht ist es gut, daß man nicht in der Gastronomie tätig ist«, sagte Winter.
»Oder ein Martini, der nicht richtig trocken war oder geschüttelt anstatt gerührt.«
Winter rührte gerade in seiner Kaffeetasse. Beinahe könnte der Löffel darin aufrecht stehen, dachte er.
»Bei mir muß das Eis nur kurz zur Veredelung im Wermut liegen, und dann schütten wir den weg und geben das Eis in den Gin«, fuhr Bölger fort.
»Manch einer würde das als Geiz bezeichnen«, sagte Winter.
»Unsere Gäste nennen es Stil.«
Er sah aus, als würde er an etwas anderes denken.
Er hatte schon immer ein Gesicht, das schlecht zu Poker paßt, dachte Winter. Oder aber es paßt perfekt.
»Glaubst du, das kann jemand aus der Branche getan haben?« fragte Bölger.
»Du weißt, daß ich nie glaube«, antwortete Winter.
»Aber möglich ist es doch.«
»Alles ist möglich, das macht die Sache so schwierig, oder?«
»Möchtest du, daß ich mich noch etwas mehr umhöre?« »Ja, klar. Jede Hilfe wird dankbar angenommen.« »Douglas sagte etwas davon, daß er in der letzten Zeit recht häufig ein neues Gesicht in seinem Pub gesehen hat.«
Winter richtete den langen Rücken gerade.
»Er sagt, wenn ein neues Gesicht wiederkommt, achtet man manchmal darauf.«
»Das mag so sein.«
»Wenn man arbeitet, ist es schwer, sich an die ganze Gesellschaft zu erinnern, aber wenn einer ziemlich oft allein kommt, bleibt es vielleicht haften.«
»Hatte es mit dem hier etwas Besonderes auf sich?«
»Mehr hat er nicht gesagt.«
»In unseren Zeugenaussagen habe ich davon nichts gesehen, ich lese alles, aber das habe ich nicht gelesen, daß Douglas das gesagt hat, als wir mit ihm sprachen.«
»Du mußt wohl selbst mit ihm sprechen.«
»Ja.«
»Ein wenig roadwork für den Chef.«
Winter streckte die Hand nach der
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