Tanz mit dem Engel
habe.«
Macdonald nickte.
»Jetzt hast du etwas, woran du dich festbeißen kannst, Steve.«
Macdonald nickte wieder, führte die Tasse an die Lippen, merkte aber, daß der Tee zu kalt geworden war.
»Das ist etwas anderes als der Crackmörder, der freundlich und verwirrt wartet, bis die Polizei mit heulenden Sirenen ankommt«, sagte Frankie. Er stand auf und fuhr sich mit der Faust übers Gesicht. »Und da kommst du zu mir, um nach snuffmovies zu suchen.«
»Ich komme zu dir, um Auskünfte zu bekommen«, sagte Macdonald, »zum Beispiel, wieviel es von solchem Scheiß in der Branche gibt.«
»Davon lasse ich die Finger, das schwöre ich bei dem heiligen Strand hier«, sagte Frankie und blickte auf das Plakat an der Wand.
»Hätte ich etwas anderes vermutet, wäre diese Teestunde hier ein regelrechtes Verhör im HQ_in Eltham gewesen.«
»Aber du möchtest, daß ich mich umhöre?«
»So diskret wie möglich.«
»Ja, das verlangt Diskretion, das versteht sich von selbst.«
»Kennst du jemand, der einen inneren Raum hinter dem inneren Raum hat?«
»Sicher.«
Macdonald stand auf.
»Aber nicht, wo man Live-Morde zeigt«, sagte Frankie. »Jedenfalls nicht, daß ich wüßte. Es sind ziemlich abscheuliche Sachen, neben denen das, was ich hier zeige, wie ein Familienausflug zum Strand dasteht, aber nichts von dem, wovon zu reden du die Geschmacklosigkeit besitzt.«
»Erkundige dich jedenfalls.«
»Du hast wohl deine üblichen Klatschweiber? Diesen kleinen Zuhälter auf der Old Compton Street zum Beispiel.«
»Überlaß das mir.«
»Okay, okay.«
»Ruf mich in ein paar Tagen an, egal was du erfährst, und sei vorsichtig.«
»Snuff.« Frankie schüttelte den Kopf.
»Komm schon«, sagte Macdonald, »das kann nicht das erste Mal sein, daß du davon reden hörst, daß Menschen im Film ermordet werden.«
»Nein, aber das ist nichts, was du in den Läden findest, Steve. Für so was gibt es andere Verteilerkanäle, besondere Netzwerke, die hoch über unserer kleinen schmuddeligen Welt hier unten verlaufen.«
»Scheiße fließt nach unten«, sagte Macdonald. »Oder man begegnet ihr gerade in der Mitte. Irgendwo in diesem Paradies, das wir Soho nennen, gibt es einen, der Bescheid weiß.«
»Ich beneide dich um deinen Optimismus.«
»Danke für den Tee, Frankie.«
»Ich rufe Freitag an«, sagte Frankie.
Macdonald hob die Hand und verließ das Büro. Auf der Straße vor dem Kino ging er nach rechts, überquerte die Wardour Street und ging in östlicher Richtung auf der Old Compton Road weiter. Es hatte aufgehört zu regnen. An den Tischen vor den Cafes saßen Leute und taten so, als wäre Frühling. Ich beneide sie um ihren Optimismus, dachte er.
Er kam zur Greek Street und ging ins Coach andHorses, bestellte ein Theakston und zog den Mantel aus. Der Pub war halb gefüllt von Möchtegernen und Ausrangierten der Literatur und solchen, die eine brisante Mischung der beiden Kategorien darstellten. Er kannte einige Schriftsteller, einst vielversprechend, die nun den Rest ihres Lebens hier vertranken. Keiner von ihnen war da, der
Tag war noch zu jung. Drei Hocker weiter führte eine angetrunkene Frau ein Gespräch mit zwei Männern, die an einem Tisch neben der Theke saßen.
»Ihr habt keinen blassen Schimmer, was es heißt, ein Gentleman zu sein«, hörte er sie in dem Moment schreien, als er sein Glas zum Mund führte.
17
Das Zimmer des Dezernatsleiters war reingefegt, ohne Flecken oder Papiere auf dem Schreibtisch. Erik Winter konnte so etwas bewundern: Konzentration auf eine einzige Sache, nichts, was unordentlich herumlag und an alles erinnerte, was zu keiner Lösung gelangt war, keine Reste von Gedanken, die nicht zu Ende gedacht worden waren; die verdammten Berichte, denen der Schluß fehlt, wie eine Erzählung, die nie bis zum Punkt geschrieben worden war.
Sture Birgersson lief auf den Fluren des Polizeipräsidiums unter dem Namen >Oberbuchhalter<, aber das beruhte mehr auf der Art des Dienstes als auf seiner Persönlichkeit. Birgersson saß immer in seinem Zimmer und wartete. Er rechnete nicht. Er las. Gott weiß, wo die Berichte hinterher landeten, dachte Winter, als er auf der anderen Seite des Tisches saß.
Birgersson war ein Lappländer, der mehr aus Zufall denn aus Sehnsucht in Göteborg gelandet und dann hängengeblieben war. Im Unterschied zu allen andern aus dem Norden fuhr er im Herbst nicht >heim<, um zu jagen. Er nahm zwei Wochen frei und fuhr irgendwohin, ohne daß Winter wußte, wohin, und
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