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Tanz mit dem Engel

Tanz mit dem Engel

Titel: Tanz mit dem Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Tatsächlich viele Jahre.«
    »Ja. Das hast du bereits gesagt. Dann fahr doch hin.« »Du fährst ziemlich oft rüber.« »Nicht so oft wie früher.«
    »Maßgearbeitete Schuhe aus dieser Snobstraße. Du bist was Besonderes, Erik.«
    »Alle Menschen sind einzigartig.«

22
    Winter wanderte durch die Wohnung, kehrte zu seinen Aufzeichnungen auf dem Arbeitstisch zurück, las, wanderte wieder.
    Morgen, oder besser heute, noch einmal Beckman. Der Mann war ein Zeuge. Wie wichtig? Das würden sie sehen, wenn sie ein Gesicht auf dem Bildschirm geschaffen hatten, falls es ging.
    Und alle andern, die sie gehört hatten: Fragmente von Ansichten, alles zusammengeführt in Möllerströms Computern.
    Konnten sie unter die Oberfläche dringen? Er wußte, daß es eine schreckliche... Erwerbstätigkeit in der Stadt gab, nicht groß, aber es gab sie. Warum sollte es sie nicht geben? Skandinavien war kein Freiraum. Skandinavien wurde seit langem mit Pornographie verknüpft, aber in der Bedeutung von Befreiung. Runter mit den Kleidern. Eine gewisse Naivität, die auch die Gesetzgeber ergriffen hatte, dachte er, das war immer so gewesen, aber nun war es schlimmer, bedrückender. Es beeinflußte die Menschen. Brachte sie dazu, sich umzubringen, brachte sie dazu, sich selbst zu verzehren.
    Die äußerste Erniedrigung wurde zum wichtigen Gewerbe, ermöglicht durch die Unwissenheit und naive Korrektheit der Machthaber und ihr Geschwätz und nichts als Geschwätz.
    Er ging zur Stereoanlage und stellte sie lauter, und die Musik dröhnte durch die Zimmer. Er ging im Kreis und dachte nach, und seine Gedanken wurden von der Musik in Stücke gebrochen, machten sich los in eine andere
    Richtung und vereinigten sich teilweise oder manchmal ganz.
    Wie die Musik, und das war die Musik: John Coltrane, The Father And The Son And The Holy Ghost; die Gefühle und Gedanken können nicht poliert oder in eine Symmetrie gezwungen werden, in etwas, das an der Oberfläche schön ist. Sie müssen explodieren, wenn sie entstehen, unmittelbar, in einer herausfordernden Dissonanz, einem Sound, der in den Ohren und bis ins Gehirn schmerzt.
    Wie Coltranes Musik auf Meditations, der Scheibe, die sich hier bei mir dreht: auf der Suche nach der Einigkeit oder Ganzheit der Gedanken. in diese Suche muß ich mich stürzen. und durch den Schmerz, den die Trennung mit sich bringt, dachte er und lächelte. Wenn Coltranes und Pharoah Sanders Tenorsaxophone eigene wahnsinnige Wege wandern, ist es nur ein kurzes Stück Weges zur Ganzheit. Es ist wie das Meer, dachte er, wie die Wellen, die sich an der Oberfläche brechen, aber das Meer ist immer eins, immer in Bewegung.
    Will ich diesen Fall lösen, muß ich dissonant denken, asymmetrisch, hier gibt es nichts, was richtig ist.
    Diese Aufgabe ist ein Suchen, wie die Musik hier in meinen Zimmern ein Suchen ist. Nichts ist fertig von Anfang an, auch selten hinterher, wenn es klar zu sein scheint.
    Gibt es einen Sinn?
    Er dachte kurz an Mats, der gestorben war, bevor Dinge geschehen waren, die sein Leben ausmachen sollten, dachte an die Trauer, die er, Winter, von sich ferngehalten hatte, und er dachte an seinen eigenen Platz in der Welt.
    Er schaute auf die Uhr, die ein paar Minuten nach drei anzeigte.
    Es gibt kein Ende, hatte Coltrane einmal gesagt, es gibt immer neue Gedanken zu erreichen, und das Wichtige ist, diese Gedanken oder Gefühle und die Klänge zu vereinfachen und zu läutern, damit wir am Ende klarer sehen können, was wir tun und wer wir sind.
    Ich bin ein ernsthafter Fan, dachte Winter und schmunzelte noch einmal.
    Er stand wieder am Schreibtisch, strich in den Aufzeichnungen herum, schrieb etwas hinein, schaltete den Computer an und gleich wieder aus. Die Musik verstummte. Winter lauschte auf die Geräusche der Nacht, hörte zuerst nichts und dann einen Bagger, der sich durch den Schnee wühlte. Er streckte sich, gähnte, öffnete die Balkontür und trat hinaus.
    Unter ihm setzte Bewegung ein, eine Stadt, die langsam und steif zu einem neuen kalten Tag erwachte. Der Lärm des Baggers war nun kräftig, er schien von der anderen Seite der Universität zu kommen, als ob jemand mit sofortiger Wirkung Ausgrabungen im Park verfügt hätte.
    Wie kommt es, daß ich mich beobachtet fühle, dachte er. So war es schon die ganze Zeit. Das einzige, was fehlt, ist ein Brief von einem Mörder, ein Gruß. Oder eine Bitte um Rettung. Nein, das nicht. Dies ist etwas anderes. Vielleicht eine Mitteilung.
    Wird es noch einmal

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