Tanz mit dem Engel
war eine Zeitlang in den Zimmern geblieben und mit langsamen Schritten zurückgegangen.
Was war danach geschehen? Welchen Weg hatte der Mörder eingeschlagen? Winter fuhr sich mit der Hand über die Brust, spürte die Weichheit des Bettes, dachte zurück: Er hatte auf der Treppe des Studentenheims gestanden und die Gegend unterhalb überblickt, und nach einer ganzen Weile war ihm, als sähe er einen Schimmer von einer Tasche und einen Ellenbogen um die Ecke schwingen, und es spannte im Kopf, und er schloß die Augen. Als er sie wieder aufmachte, war die Bewegung fort. Er wußte, daß es diese Ecke war, zur Eklandagatan hin. Er war zu der Ecke gegangen, wo er die Bewegung gesehen hatte, war stehengeblieben und hatte nach Nordosten geblickt und den schwingenden Ellenbogen wiedergesehen, die schwere schwingende Tasche.
Er stürzte hinterher. Er rannte zwischen den Autos durch, den Blick geradeaus auf das gerichtet, was ein ganzer Rücken geworden war, ein Hinterkopf, den Berg hinab in Höhe des Hotels Panorama, und Winter schrie, um das Wesen vor sich auf sich aufmerksam zu machen, um den Teufel dazu zu bringen, lange genug zu warten, damit er sehen könnte, wer es war und dann...
Winter hatte aufgeholt, doch keiner schien ihn zu hören, als er rief, oder ihn zu sehen, als er immer schneller rannte, und er war nicht mehr weit von der Gestalt, die sich zielstrebig den Berg hinab bewegte, der Ellenbogen schwang in einem eigenen Rhythmus, und die Tasche schlug bei jedem Schritt gegen den einen Schenkel, und es war etwas an der Lederjacke des Mannes, was er schon einmal geseh. da war etwas, was er wiedererkannte, und nun war er drei Meter entfernt, und der Mann vor ihm reagierte, machte einen Ruck mit dem Körper und wandte sich um, und Winter schrie auf, als er sah, wer es war.
Winter hob die Hand zum Schutz und kam noch näher. Da hörte er die Musik, die ihm in wahnsinnigem Tempo über die Augen kratzte.
Er hatte mit den Armen um sich geschlagen und den Wecker auf dem Tisch neben dem Bett umgeworfen. Er zitterte, wie von einem Nachbeben aus dem Traum. Er blickte geradeaus, auf die Wand. Es spannte in der Seite und über den Hüften, er lag halb im Bett, die Beine noch auf dem Boden. Er war mitten in einem Gedanken eingeschlafen, auf der Bettkante sitzend, und er mußte auf das Kissen gefallen sein, ohne es zu merken.
Er hatte ein trockenes Gefühl im Hals, als ob er sich im Traum leergeschrien hätte. Er blieb in derselben Haltung liegen, kehrte zu den Sekunden vor dem Aufwachen zurück. Es war alles noch ganz frisch. Er versuchte, das Gesicht zu sehen, das so nahe gewesen war. Jetzt war es weg.
23
Lars Bergenhem hatte sich vor langer Zeit ein- oder zweimal verlegen in einen solchen Laden gewagt, aber das war auch alles. Er erinnerte sich an nichts anderes mehr, als daß da überall Menschenhaut auf Papier gewesen war, und an ein kleines Schamgefühl, das danach haften blieb.
Er parkte hundert Meter weiter weg und ging über die Straße zum Riverside. Es war der vierte Klub, den er besuchte. Er war auch in ein paar anderen gewesen, die nicht so auffällig Werbung machten.
Der Eingang zum Riverside war dennoch diskret, eine Tür in der Wand und ein Schild daneben mit den Öffnungszeiten des Lokals. Er zog die schwere Tür auf und trat direkt in einen großen Raum mit Zeitungen an den Wänden entlang, wie eine Bibliothek voller Zeitschriften. Er sah Männer vor den Regalen, aber nur einige wenige. Er wandte sich nach links, fühlte sich alles andere als ungezwungen, warf einen Blick auf die Regale und ging weiter. Im hinteren Teil des Raums gab es eine Tür mit Vorhang und eine Art Kabine, wo ein Mann den Eintritt kassierte. Bergenhem bezahlte. Drinnen hängte er den Mantel in eine unbewachte Garderobe und setzte sich an einen der Tische. Es saßen noch vier Männer da, alle allein an ihrem Tisch. Ein Mädchen kam zu ihm und fragte, was er trinken wolle. Er bestellte ein alkoholfreies Bier. Sie ging zurück durch eine Schwingtür und kam mit seiner Flasche und einem Glas wieder.
»Willkommen im Riverside«, sagte sie und lächelte.
Lars Bergenhem nickte zur Antwort und kam sich furchtbar dämlich vor. Es war das gleiche Gefühl wie in den anderen Lokalen. Soll ich sie bitten, sich zu mir zu setzen, überlegte er. Ist das nicht der Sinn der Sache, daß sie sich anbieten soll?
»Die Show beginnt in fünf Minuten«, sagte sie und lächelte noch einmal.
Bergenhem nickte wieder. Wundert sie sich, warum ich
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