Tanz mit dem Engel
an.
»Ich weiß«, sagte sie.
»Was?«
»Du hast Leute im Riverside gefragt oder nicht?« »Ja.«
»Sie zeigen hier Filme.«
Er umfaßte sein Bierglas, saß still, wünschte sich aber, er könnte sich vorbeugen über sie.
»Es ist kein Geheimnis für die Gäste oder in der Stadt, aber es ist etwas, das man anderswo nicht sieht.«
»Was sind das für Filme?«
»Bondage«, sagte sie. »Weißt du, was das ist?«
»Ja.«
»Das ist nicht verboten.«
Er antwortete nicht, weil er sich nicht ganz sicher war.
»Keine Kinder, dann würde ich nicht hier arbeiten. Auch Stripperinnen haben eine Moral.«
»Wo ist er?«
»Wer denn?«
»Der Filmraum.«
»Wieso?«
»Ich will das sehen«, sagte er.
»Das fängt erst später an, und da bin ich sowieso weg.« »Warum?«
»Das geht dich wohl nichts an?«
Bergenhem spürte Schweiß auf dem Rücken. Er hoffte, daß er sich nicht auf der Stirn zeigte. Es zerrte im Schritt, als wären seine Boxershorts aus Sandpapier. Er trank Bier und merkte, daß seine Hand ein wenig zitterte. Er sah, daß es ihr aufgefallen war.
»Weißt du, was du untersuchst?« fragte sie.
Er setzte sein Glas wieder ab, fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund.
»Es war. wichtig für mich, dir zu folgen, aber es ist nicht, was du denkst. Wir versuchen, uns ein Bild davon zu machen, was sich in den Klubs abspielt. Wenn du so eingesetzt wirst, verstehst du warum.«
Sie blickte ihn lange an.
»Ich will dir eines sagen«, begann sie, »aber dann mußt du mich zu noch einem Drink einladen. Sonst muß ich gehen. Wir dürfen für jeden Drink nur eine bestimmte Zeit hier sitzen.«
»Okay.«
Sie mußte ein Zeichen gemacht haben, das er nicht gesehen hatte. Ein neues Glas stand vor ihr. Der Kellner nahm das alte unangerührt mit.
»Du scheinst ein netter Junge zu sein, und deshalb will ich dich warnen«, sagte sie ganz leise, wie zwischen den Zähnen. Er hörte durch den Rauch zu.
»Hier und im Riverside kommt es einem friedlich vor, aber es ist lebensgefährlich«, sagte sie, »das ist Business und nur Business, und keiner ist sicher.«
»Hat dir jemand aufgetragen, mir das zu sagen?«
»Du kannst glauben, was du willst«, sagte sie und wandte sich ihm zu und lächelte, als spielte sie Theater für jemanden, der sie beobachtete. Es ist, als spräche sie von etwas anderem, dachte Bergenhem.
»Was ist denn so lebensgefährlich?«
»Du bist ein lieber Junge, halte dich von mir fern.«
»Wie bitte?«
»Ich weiß nicht, ob du zu Hause Probleme hast oder was es ist«, sagte sie, und er sah, daß sie auf den Ring an seinem linken Ringfinger schielte, »aber für den Nachtdienst, den du gerade machst, kannst du wohl nicht zu deinem Chef gehen und dafür Überstunden anschreiben lassen.«
»Das ist meine Arbeit.«
»Bin ich deine Arbeit?« »Nein.«
»Was ist es dann?«
»Ich weiß nicht. Wie heißt du?« fragte er, aber sie antwortete nicht.
Als er sich ins Bett legte, bewegte sich Martina im Schlaf; sie blickte hastig auf und murmelte etwas, daß es spät sein müßte. Er antwortete nicht, und sie fiel wieder in ihre tiefen regelmäßigen Atemzüge.
Er merkte den Rauchgeruch vom Haar und von der Gesichtshaut. Der Mund war rauh, wie eine Höhle aus Zement, als er mit der Zunge über den Gaumen fuhr. Martina lag auf dem Rücken, der Bauch wie ein kleines Zelt über ihr. Ihn überkam Sehnsucht, die Hand daraufzulegen, aber er ließ es sein.
Die Gefriertruhe in der Diele röchelte. Er konnte nicht schlafen, er lauschte auf alles, alle Geräusche.
Er schlüpfte aus dem Bett und ging die Treppe hinunter. In der Küche öffnete er den Kühlschrank und trank fettarme Milch direkt aus der Packung. Er trank lange, bis sie leer war. Er hatte immer noch Durst, als würde es in ihm brennen. Er machte eine Packung Orangensaft auf und schenkte sich ein Glas ein. Er trank. Es schmeckte süß und scharf nach der Milch.
Was zum Teufel ist mit mir los, dachte er.
»Kannst du nicht schlafen?« sagte Martina, als er sich wieder ins Bett legte.
»Jetzt geht es wohl«, antwortete er.
»Mhm.«
»Gute Nacht«, sagte er.
»Mhm«, sagte sie, schon wieder im Einschlafen.
Er hatte sich noch einmal geschrubbt, härter mit der stärkeren Seife, aber der Rauchgeruch wollte nicht weggehen. Er glaubte, ihr Parfüm hier im Schlafzimmer zu riechen. Es spielt keine Rolle, wie sie heißt, dachte er. Warum habe ich das gefragt?
Er konnte nicht schlafen. Nun achtete er auf die Möwen, die anfingen, die Zeitungen zu
Weitere Kostenlose Bücher