Tanz mit dem Schafsmann
meine?«
»Ungefähr«, erwiderte ich.
»Das hat sie von ihrer Mutter geerbt, diese exzentrischen Anwandlungen. Aber die verarbeitet das in ihrer Kunst. So was nennt man dann Talent. Doch Yuki besitzt noch keinen Fokus, um diese Fähigkeit zu kanalisieren. Es ist eine überbordende, unkontrollierte Kraft. So wie Wasser, das überschwappt. Eben wie bei einem Medium. Es liegt ihr im Blut, von mütterlicher Seite. Ich habe das jedenfalls nicht, ich bin überhaupt kein Exzentriker. Deshalb achten die beiden mich auch nicht sonderlich. Das Zusammenleben mit ihnen war übrigens eine Tortur für mich. Ich konnte eine Zeit lang kein Frauengesicht mehr ertragen. Sie können sich nicht vorstellen, was es hieß, mit Ame und Yuki unter einem Dach zu leben. Regen und Schnee, puuh. Wie eine Wettervorhersage. Ich liebe sie natürlich beide, keine Frage. Auch jetzt telefoniere ich noch manchmal mit meiner Exfrau. Aber ich möchte kein zweites Mal mit ihr zusammenleben. Es war die reinste Hölle. Ich war damals bestimmt ein talentierter Schriftsteller – war, möchte ich betonen –, aber diese Ehe hat mich fix und fertig gemacht. Ehrlich. Trotz des Verlusts meines Talents habe ich es aber doch noch recht gut hingekriegt, denke ich. Durch Schneeschaufeln. Effektives Schneeschaufeln, wie Sie so schön sagen. Wundervoll, dieser Ausdruck! Aber worüber sprachen wir gerade?«
»Ob Sie mir trauen können.«
»Ach ja. Also ich vertraue Yukis Instinkt. Und Yuki vertraut Ihnen. Und deshalb vertraue ich Ihnen ebenfalls. Und Sie können mir vertrauen. Ich bin kein so übler Kerl. Ich schreibe vielleicht manchmal Mist, aber ich bin kein schlechter Mensch.« Er räusperte sich wieder. »Also, was meinen Sie? Wollen Sie sich um Yuki kümmern? Ich verstehe nur zu gut, was Sie sagen. Es wäre eigentlich die Aufgabe der Eltern. Aber sie ist nun mal ein außergewöhnliches Kind. Und ich habe keinen Handlungsspielraum. Außer Ihnen gibt es niemanden, den ich bitten könnte.«
Ich starrte auf den Bierschaum in meinem Glas. Was sollte ich tun? Eine verschrobene Familie. Drei Ausgeflippte und Boy Freitag – Familie Robinson im Weltraum.
»Ich habe nichts dagegen, Yuki hin und wieder zu sehen«, sagte ich. »Aber jeden Tag, das geht nicht. Ich habe selbst Dinge zu erledigen, und außerdem behagt es mir nicht, jemanden aus Verpflichtung zu treffen. Ich verabrede mich mit ihr, wenn ich Lust dazu habe. Ich brauche auch kein Geld. Zur Zeit habe ich keine finanziellen Probleme, und wenn ich mit Yuki aus Freundschaft ausgehe, kann ich das schon aus eigener Tasche bezahlen. Nur unter dieser Bedingung ist das für mich machbar. Ich mag Yuki sehr, und es macht mir Spaß, sie zu treffen. Aber ich möchte keine Verantwortung übernehmen. Das ist doch verständlich, oder? Was immer mit Yuki geschieht, die Verantwortung tragen letztlich nur Sie und Ihre Frau. Auch um das klarzustellen, möchte ich kein Geld.«
Makimura nickte mehrmals, wobei seine Halswülste wabbelten. Mit Golf bekommt er das nicht weg, da müsste er sein Leben schon von Grund auf umstellen. Das scheint ihm jedoch fern zu liegen, sonst hätte er schon viel früher etwas geändert.
»Ich verstehe. Was Sie sagen, leuchtet mir ein«, sagte er. »Ich hatte nicht vor, die Verantwortung auf Sie abzuwälzen. Die brauchen Sie auch gar nicht zu übernehmen. Wir haben außer Ihnen einfach niemanden zur Auswahl, deshalb bitte ich Sie nochmals inständig. Um Verantwortung geht es nicht. Und das mit dem Geld können wir ja später regeln. Ich bin in Geldangelegenheiten immer pflichtbewusst und zahle meine Schulden gewissenhaft zurück. Nur damit Sie es wissen. Es soll ganz Ihnen überlassen bleiben. Wenn Sie Geld brauchen, setzen Sie sich mit mir oder mit Ame in Verbindung. Wir haben beide wahrlich keine finanziellen Nöte, also keine Hemmungen.«
Ich sagte nichts darauf.
»Sie scheinen ja ein ziemlich sturer Kerl zu sein«, bemerkte Makimura noch.
»Stur würde ich nicht sagen. Ich habe lediglich mein eigenes Denksystem.«
»Ihr Denksystem«, wiederholte er und fummelte erneut an seinem Ohrläppchen. »Vielleicht ist Ihr System ein bisschen überholt. So wie die manuell gefertigten Vakuumröhren-Verstärker. Statt die Zeit mit Basteln zu verplempern, sollten Sie besser in einen Hifi-Laden gehen und einen brandneuen Transistorverstärker kaufen, der ist billiger und klingt besser. Und wenn er kaputt geht, kann man ihn im Nu ersetzen oder in Zahlung geben. Denksysteme sind nicht mehr up to
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