Tanz mit dem Schafsmann
sagen: »Hallo, ich möchte gern die junge Dame mit der Brille sprechen, die an der Rezeption arbeitet.« Nein, das ging nicht. Vermutlich würde man mich für einen Spinner halten. Ein Hotel ist schließlich ein seriöser Arbeitsplatz.
Ich grübelte noch eine Weile darüber nach. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, heißt es doch.
Ich rief Yuki an und verabredete mich mit ihr für den Morgen. Ich würde sie um halb zehn mit dem Taxi abholen, sage ich. Dann fragte ich sie, ob sie nicht zufällig den Namen der jungen Frau an der Rezeption im Dolphin Hotel wüsste. Von der mit der Brille, die sich damals um sie gekümmert hätte.
»Klar weiß ich den. Es war nämlich ein höchst seltsamer Name. Deshalb habe ich ihn auch in mein Tagebuch geschrieben. Mir fällt er zwar jetzt nicht ein, aber ich kann nachgucken«, sagte Yuki.
»Könntest du das vielleicht gleich tun?«, bat ich sie.
»Jetzt sehe ich gerade fern. Geht’s auch ein bisschen später?«
»Tut mir leid, aber es ist sehr dringend.«
Sie brummte unwillig, kramte dann aber doch nach ihrem Tagebuch. »Sie heißt Yumiyoshi«, meldete sich Yuki zurück.
»Yumiyoshi«, wiederholte ich. »Wie schreibt man das denn?«
»Das weiß ich doch nicht. Deshalb sage ich ja, seltsamer Name. Die Schriftzeichen kenne ich nicht. Klingt nach Okinawa, findest du nicht?«
»Nein, solche Namen gibt’s nicht in Okinawa.«
»Na ja, so heißt sie jedenfalls: Yu-mi-yo-shi«, sagte Yuki. »Reicht das? Ich will nämlich weiter fernsehen.«
»Was guckst du denn?«
Ohne zu antworten, knallte sie den Hörer auf.
Aus Neugier stöberte ich im Tokyoter Telefonbuch nach dem Namen Yumiyoshi, und zu meiner Überraschung gab es tatsächlich zwei Einträge. Einer schrieb sich mit Kanji-Zeichen, der andere, ein Fotoatelier, mit Katakana-Silben. Es gibt doch mehr Namen, als man denkt.
Dann rief ich im Dolphin Hotel an und fragte, ob Frau Yumiyoshi da sei. Ich machte mir erst keine großen Hoffnungen, wurde aber sofort mit ihr verbunden. Hallo, begrüßte ich sie, und sie wusste auf Anhieb, wer ich war. Sie hatte mich demnach noch nicht abgeschrieben.
»Ich bin gerade im Dienst«, sagte sie leise, cool und klar. »Ich rufe dich später an.«
»Okay, dann bis später«, sagte ich.
Während ich auf ihren Rückruf wartete, meldete ich mich bei Gotanda und sprach ihm aufs Band, dass ich mich gestern überraschend zu einer Reise nach Hawaii entschlossen hätte. Er nahm dann doch den Hörer ab: »Klingt beneidenswert. Ein Szenenwechsel ist immer gut fürs Gemüt. Ich wünschte, ich könnte mit.«
»Was hält dich denn davon ab?«, fragte ich.
»Für mich ist das nicht so einfach. Ich sitze tief in der Kreide. Erst die Hochzeit, dann die Scheidung, das hat mich eine Stange Geld gekostet, und da habe ich mich ziemlich verschuldet. Das hab’ ich dir doch schon erzählt, oder? Ich muss mich totschuften. Was glaubst du, weshalb ich in diesen grässlichen Werbespots auftrete? Es ist einfach grotesk: Ich kann von Spesen leben, aber meine Schulden nicht bezahlen. Die Welt wird von Tag zu Tag komplizierter. Ich weiß nicht einmal, ob ich nun arm oder wohlhabend bin. Ich besitze Dinge in Hülle und Fülle, aber nichts, was meinen Wünschen entspricht. Ich kann das Geld zum Fenster hinauswerfen, es aber nicht für das ausgeben, was ich möchte. Ich kann mir Dutzende schöner Frauen kaufen, aber nicht mit der Frau schlafen, die ich liebe. Ein absurdes Leben, was?«
»Bist du so hoch verschuldet?«, fragte ich.
»Ziemlich hoch, würde ich sagen«, erwiderte er. »Aber wie hoch, das weiß ich selbst nicht so genau. Ich will mich ja nicht selbst loben, aber in den meisten Dingen bin ich besser als der Durchschnitt, nur in Geldfragen nicht. Wenn ich Bilanzzahlen sehe, laufen mir kalte Schauer über den Rücken. Da schaue ich lieber weg. Ich bin in einer traditionellen Familie aufgewachsen, da galt es als unschicklich, über Geld zu reden. Scher dich nicht ums Geld, hieß es, sondern arbeite hart und führe ein angemessenes Leben. Kümmere dich nicht um Kleinigkeiten, sondern lebe im großen Maßstab. Guter Rat, zumindest für damalige Verhältnisse. Aber was ist denn heutzutage ein angemessenes Leben? Solche Ansichten sind einfach überholt. Inzwischen sind die Dinge etwas komplizierter geworden. Der große Maßstab gilt nicht mehr. Was bleibt, ist die Nebensächlichkeit, dass ich im Rechnen eine Niete bin. Es ist zum Verzweifeln. Ich weiß überhaupt nicht, wie es weitergehen soll. Der
Weitere Kostenlose Bücher