Tanz mit dem Schafsmann
Steuerberater meiner Agentur versucht mir das alles zu erklären, aber ich habe einfach nicht den Nerv dafür. Das Geld wird hin und her geschoben. Es gibt nominelle Schulden und nominelle Guthaben, dann das Spesenkonto. Es ist alles furchtbar verworren. Ich würde gern klarer sehen, aber auf diese Bitte geht keiner ein. Dann möchte ich aber zumindest die Bilanz wissen, habe ich gesagt. Das sei kein Problem, der Schuldenberg sei ziemlich hoch. Er sei zwar schon etwas geschrumpft, aber eben noch lange nicht abgetragen. Ich solle einfach arbeiten und die Spesen aufbrauchen. Es ist zu blöd. Ich habe das Gefühl, in einem tiefen Sumpf zu stecken. Ich habe nichts gegen Arbeit, aber es ist einfach zu dumm, dass ich dieses System nicht kapiere. Manchmal wird mir richtig angst und bange. – Ach, jetzt habe ich wieder zu viel geredet. Tut mir leid. Bei dir fange ich immer an zu quasseln.«
»Macht doch nichts«, beruhigte ich ihn.
»Aber du hast doch damit gar nichts zu tun. Das nächste Mal unterhalten wir uns in Ruhe, ja?« sagte Gotanda. »Pass auf dich auf! Ich werde dich vermissen. Ich wollte schon lange mal wieder mit dir einen trinken gehen. Sobald ich frei habe …«
»Ich fahre doch bloß nach Hawaii und nicht an die Elfenbeinküste«, sagte ich lachend. »In einer Woche bin ich wieder da.«
»Stimmt auch wieder. Ruf mich auf jeden Fall an, wenn du zurück bist, okay?«
»Mache ich.«
»Und während du dich am Strand von Waikiki aalst, werde ich Zahnarzt spielen, um meine Schulden zu begleichen.«
»Tja, es gibt die unterschiedlichsten Schicksale auf der Welt. Und jeder hat sein Päckchen zu tragen. Different strokes for different folks.«
»Sly & The Family Stone«, sagte Gotanda und schnippte mit den Fingern. Unterhaltungen mit Gleichaltrigen haben den Vorteil, dass man sich umständliche Erklärungen sparen kann.
Frau Yumiyoshi rief mich kurz vor zehn zurück. Sie sagte, sie sei jetzt mit der Arbeit fertig und zu Hause. Ich rief mir ihr Apartment ins Gedächtnis, damals im Schneegestöber. Alles sehr nüchtern, der Aufgang, die Tür. Dann ihr nervöses Lächeln. Wehmütige Erinnerungen. Ich schloss die Augen und sah die im Dunkel der Nacht tanzenden Schneeflocken vor mir. Ich fühlte mich fast ein bisschen verliebt.
»Woher weißt du eigentlich meinen Namen?«, fragte sie mich als Erstes.
Von Yuki, erklärte ich ihr. »Ich habe nichts Unrechtes getan. Niemanden bestochen. Keine Telefonleitung angezapft. Es aus niemandem herausgeprügelt. Ich habe mich ganz brav bei dem Mädchen danach erkundigt.«
Sie war anscheinend immer noch misstrauisch und schwieg einen Moment. »Wie geht es denn der Kleinen? Hast du sie heil nach Hause gebracht?«
»Unversehrt«, sagte ich. »Bis vor ihre Wohnungstür. Ich treffe sie auch jetzt noch manchmal. Es geht ihr gut. Bisschen überdreht, das Mädchen.«
»Na, dann passt ihr ja gut zusammen«, sagte Yumiyoshi gnadenlos. Als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt. Affen fressen Bananen, und in der Sahara regnet es kaum.
»Sag mal, wieso hast du mir deinen Namen eigentlich verheimlicht?«
»Hab’ ich doch gar nicht. Ich wollte ihn dir sagen, wenn du wiederkommst. Ich habe ihn nur nicht erwähnt, um mir lästige Fragen zu ersparen. Wie wird das denn geschrieben? Oder: Ist das nicht ein seltener Name? Woher kommen Sie eigentlich? Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr mich das nervt, immer die gleiche Leier zu hören und darauf antworten zu müssen.«
»Es ist doch ein schöner Name. Ich habe vorhin im Telefonbuch nachgeschaut, in ganz Tokyo gibt es nur zwei Leute, die so heißen. Wusstest du das?«
»Klar«, sagte sie. »Habe ich dir nicht gesagt, dass ich früher in Tokyo gelebt habe? Ich habe sofort nachgeforscht. Es ist eine Marotte von mir, überall, wo ich hinkomme, sofort im Telefonbuch nachzugucken, wie viel Yumiyoshis es gibt. In Kyoto gibt es auch einen. Aber sag, weshalb rufst du eigentlich an?«
»Aus keinem besonderen Grund«, gab ich zu. »Morgen verreise ich für eine gewisse Zeit und wollte vorher noch mal deine Stimme hören. Nichts weiter. Manchmal vermisse ich sie.«
Am anderen Ende herrschte Schweigen, und man hörte ein anderes Gespräch in der Leitung. Ganz in der Ferne quasselte eine Frauenstimme. Als käme sie vom hinteren Ende eines langen Korridors. Ein leises Brabbeln. Man verstand nicht, was sie sagte, vernahm nur ihre Stimme, die irgendwie wehleidig klang. Wehleidig und abgehackt.
»Erinnerst du dich noch an meine
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