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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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distinguiert.
    Im nächsten Supermarkt deckten wir uns mit Bier, kalifornischem Wein, Obst und Fruchtsäften sowie Zutaten für einfache Sandwiches ein. Dann suchten wir uns eine Stelle am Strand, wo wir bis zum Abend faulenzten und nur das Meer und den Himmel anschauten, ohne viel zu reden. Mal auf dem Bauch, mal auf dem Rücken liegend, ließen wir einfach nur die Zeit verstreichen. Sonnenlicht flutete in atemberaubender Fülle herab und heizte den Sand auf. Hin und wieder raschelten Palmblätter in einer sanften Meeresbrise. Ich döste oft ein und wurde immer wieder von den Stimmen der Vorübergehenden und dem Rascheln des Windes geweckt. Verdutzt fragte ich mich dann, wo ich eigentlich war. Auf Hawaii, musste ich mir selbst soufflieren, und es dauerte einen Moment, bis ich es tatsächlich begriff. Schweiß, mit Sonnenöl vermischt, rann mir über die Schläfen und tropfte auf den Sand. Die verschiedensten Geräusche brandeten heran und ebbten ab wie Meereswogen, und ab und zu mischte sich der Rhythmus meines Herzschlags darunter. Mein Herz war ein Rädchen im großen Weltgetriebe.
    Meine Schrauben im Kopf lockerten sich, ich begann mich zu entspannen. Pause.
    Auch Yukis Züge hatten sich merklich verändert, seitdem wir aus dem Flugzeug gestiegen waren und uns die süße, warme Luft von Hawaii um die Nase wehen ließen. Unten an der Gangway schloss sie geblendet die Augen, holte tief Luft und sah mich an. Die Anspannung, die zuvor wie eine hauchdünne Membran ihr Gesicht überzogen hatte, war mit einem Schlag verschwunden. Keine Abwehr mehr, keine Gereiztheit. Sie legte ihre Allüren – sich durch die Haare zu streichen, den Kaugummi zu einem Kügelchen zu formen, patzig mit den Schultern zu zucken – ab und war auf einmal gelassen. Erst jetzt wurde mir so recht bewusst, was für ein schlimmes Leben sie führte. Es war nicht nur schlimm, sondern von Grund auf verkehrt.
    Bei dem knappen Bikini, der dunklen Sonnenbrille und dem straff hochgebundenen Haar konnte man Yukis Alter schwer einschätzen. Körperlich sah sie noch aus wie ein Kind, aber durch ihre natürliche, kraftvolle und entschiedene Körperhaltung wirkte sie erwachsener, als sie tatsächlich war. Ihre Beine waren glatt und schlank, aber nicht zu schmächtig, sondern eher muskulös. Wenn sie sich räkelte, hatte man das Gefühl, der Raum um sie herum dehne sich in alle Himmelsrichtungen aus. Sie hatte offenbar gerade die dynamischste Phase ihres Wachstums erreicht, in der sie sich in Windeseile zur Erwachsenen entwickelte.
    Wir rieben uns gegenseitig den Rücken ein. Yuki fand meinen Rücken unheimlich breit. Es war das erste Mal, dass ich so etwas von jemandem hörte. Sie selbst war sehr kitzlig und konnte überhaupt nicht stillhalten. Die hochgesteckten Haare gaben ihre kleinen weißen Ohren und ihren Nacken frei. Bei diesem Anblick musste ich schmunzeln. Aus der Ferne machte Yuki, wenn sie so da lag, sogar auf mich einen erstaunlich erwachsenen Eindruck, nur ihr Nacken war noch sehr kindlich, als gehörte er gar nicht zu ihr. Es ist merkwürdig, aber der Nacken einer Frau altert wie ein Baum mit seinen Jahresringen. Wie sich allerdings der Nacken einer reiferen Frau von dem eines jungen Mädchens unterscheidet, vermag ich nicht zu sagen, aber er sieht auf jeden Fall anders aus. Mädchen haben junge Hälse und Frauen reifere.
    »Du musst dich am Anfang langsam bräunen lassen«, sagte Yuki altklug. »Zuerst im Schatten, dann ein bisschen in der Sonne und dann wieder im Schatten. Sonst holt man sich einen fürchterlichen Sonnenbrand. Das gibt dann Blasen und hinterlässt hässliche Narben.«
    »Schatten, Sonne, Schatten«, wiederholte ich artig, während ich ihr den Rücken einölte. Und so verbrachten wir unseren ersten Nachmittag auf Hawaii unter schattigen Palmen und lauschten der Musik des FM-Senders. Hin und wieder ging ich ins Wasser oder zur Strandbar, um eisgekühlte Piña Colada zu trinken. Yuki hatte keine Lust zum Schwimmen. Sie müsse sich erst einmal ausruhen, sagte sie. Sie trank Ananassaft und mümmelte häppchenweise an einem dick mit Senf und Gürkchen belegten Hotdog herum. Die Sonne ging unter und tauchte den westlichen Horizont in ein knalliges Tomatenketchup-Rot. Wir blieben noch liegen, bis die Laternen auf den Sunset-Cruise-Katamaranen angingen. Yuki genoss diese Abendstimmung und rührte sich erst vom Fleck, als auch der letzte Lichtschimmer verschwunden war.
    »Lass uns aufbrechen«, drängte ich. »Es ist schon dunkel, und

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