Tanz mit dem Schafsmann
leben in einer harten, unerbittlichen Welt. Wir alle haben im Leben mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Aber wir sind erwachsen und haben es immerhin so weit gebracht. Zumindest bei der ersten Begegnung sollte man seinem Gegenüber keine so heiklen Fragen stellen. Das gehört sich einfach nicht. Bin ich zu kalt? Ich schüttelte den Kopf, was natürlich auch keine Lösung brachte.
Wir fuhren zum Haus zurück. Als Dick läutete, öffnete uns Yuki mit zutiefst gelangweilter Miene. Ame saß mit einer Zigarette im Mund im Schneidersitz auf dem Sofa und starrte ins Leere, als wäre sie in Meditation versunken. Dick ging zu ihr und küsste sie auch diesmal auf die Stirn.
»Ist euer Gespräch zu Ende?«, erkundigte er sich.
»Mhm«, sagte sie, die Zigarette im Mund. Sollte wohl ›ja‹ heißen.
»Wir haben währenddessen am Strand gefaulenzt und, den Horizont vor Augen, ein paar Strahlen eingefangen«, berichtete Dick.
»Wir können langsam aufbrechen«, sagte Yuki tonlos.
Ganz meine Meinung. Es war Zeit, wieder in die reale Welt zurückzukehren, in den realen Touristentrubel von Honolulu.
Ame erhob sich. »Kommen Sie uns mal wieder besuchen. Ich würde mich freuen, Sie wiederzusehen«, sagte sie. Dann ging sie zu ihrer Tochter und strich ihr sanft über die Wange. Ich dankte Dick North für seine Gastfreundschaft, worauf er lächelnd sagte: »Keine Ursache.«
Nachdem ich Yuki hatte einsteigen lassen, nahm mich Ame am Ellbogen und zog mich ein Stück beiseite. »Ich möchte kurz etwas mit Ihnen besprechen«, erklärte sie. Wir gingen ein Stück weiter zu einem kleinen Spielplatz. Ame lehnte sich gegen das schlichte Klettergerüst und steckte sich eine Zigarette in den Mund, die sie träge, als wäre ihr alles zu viel, mit einem Streichholz anzündete.
»Sie sind ein anständiger Mensch, das habe ich sofort gespürt«, sagte sie. »Darum habe ich eine Bitte an Sie. Ich möchte, dass Sie das Kind so oft wie möglich hierherbringen. Ich liebe meine Tochter, im Ernst. Ich will sie öfter sehen. Verstehen Sie? Mit ihr reden. Ich möchte mit ihr Freundschaft schließen. Ich glaube, wir könnten gute Freunde werden. Über das Mutter-Tochter-Verhältnis hinaus. Solange sie hier ist, habe ich die Möglichkeit, mich mehr mit ihr zu unterhalten.«
Ame schaute mich erwartungsvoll an.
Ich wusste nicht recht, was ich darauf antworten sollte, aber ich musste schließlich etwas sagen. »Das ist eine Sache zwischen Ihnen und Ihrer Tochter.«
»Natürlich«, erwiderte sie.
»Wenn Yuki Sie also treffen möchte, bin ich gern bereit, sie herzubringen«, fuhr ich fort. »Oder wenn Sie, als ihre Mutter, mir auftragen, Yuki hierherzubringen, dann tue ich es ebenfalls. Aber sonst kann ich nichts dazu sagen. Eine Freundschaft ist eine freiwillige Angelegenheit und bedarf keiner Vermittlung durch Dritte. Soweit ich weiß.«
Ame wirkte nachdenklich.
»Sie sagen, Sie möchten mit ihr Freundschaft schließen«, setzte ich hinzu. »Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber, wenn ich ehrlich sein darf, sollten Sie zuerst einmal eine Mutter für sie sein, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Sie ist doch erst dreizehn. In dem Alter braucht sie vor allem eine Mutter. Ein Wesen, das sie in finsterer, bitterer Nacht bedingungslos in die Arme nimmt. Mag sein, dass es mir als Außenstehendem nicht zukommt, mich einzumischen. Aber was Yuki braucht, ist keine Gelegenheitsfreundschaft, sondern ein Milieu, in dem sie sich ganz und gar geborgen fühlen kann. Darüber sollten Sie sich im Klaren sein.«
»Sie verstehen mich nicht«, sagte Ame.
»Allerdings. Ich verstehe es wirklich nicht«, erwiderte ich. »Verzeihen Sie, aber Yuki ist noch ein Kind, und sie ist verletzt. Jemand muss sie beschützen. Es macht viel Mühe, aber jemand muss es tun. Das verstehe ich unter Verantwortung. Begreifen Sie das nicht?«
Natürlich begriff sie nichts.
»Ich habe ja nicht gesagt, Sie sollen sie jeden Tag herbringen«, entgegnete sie. »Nur wenn Yuki es wirklich will. Ich werde sie außerdem regelmäßig anrufen. Wissen Sie, ich möchte mein Kind nicht verlieren. So wie es jetzt läuft, habe ich das Gefühl, sie wird sich, je mehr sie heranwächst, immer weiter von mir entfernen. Was ich mir wünsche, ist eine seelische Verbindung. Ein Band. Ich gebe zu, ich bin wahrscheinlich keine gute Mutter gewesen. Es gab so viele andere Dinge, die ich tun musste, ehe ich Mutter sein konnte. Es ging einfach nicht anders. Das Kind weiß das. Deshalb wünsche ich mir ja auch eine
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