Tanz mit dem Schafsmann
als sie ihn auf die Rechnung schrieb.
»Also sag, was soll ich machen?« fragte Yuki.
»Deine Mutter möchte mehr Kontakt zu dir haben«, sagte ich. »Näheres kann ich dir auch nicht sagen. Es ist ja nicht meine Familie, und sie ist schon ein wenig exzentrisch. Aber wie ich sie verstanden habe, möchte sie aus dem konfliktgeladenen Mutter-Tochter-Verhältnis raus und eine freundschaftliche Beziehung zu dir haben.«
»Man kann doch nicht einfach mir nichts dir nichts mit jemandem Freundschaft schließen.«
»Ganz meine Meinung. Zwei Stimmen für schwierig«, sagte ich.
Yuki stützte sich auf den Tisch und blickte mich gedankenverloren an. »Und wie denkst du darüber? Über Mamas Idee?«
»Wie ich denke, ist unwichtig, entscheidend ist, wie du darüber denkst. Das versteht sich doch von selbst. Du könntest ihren Vorschlag für eine Zumutung halten oder für eine konstruktive Idee, über die sich nachzudenken lohnt. Es liegt ganz bei dir. Denk in Ruhe darüber nach, dann wird sich schon eine Lösung finden.«
Yuki stützte ihr Kinn auf die Hände und nickte. An der Theke lachte jemand schallend. Die junge Pianistin setzte sich wieder ans Klavier und fing an Blue Hawaii zu spielen. The night is young and so are we …
»Es lief ziemlich schlimm zwischen uns«, erzählte Yuki. »Vor der Reise nach Sapporo war es ganz schrecklich. Ständig haben wir uns wegen der Schule in den Haaren gelegen. Grauenvoll. Wir haben kaum miteinander geredet. Ich habe mich geweigert, sie zu sehen. So ging das immer weiter. Sie kann keinen vernünftigen Gedanken fassen. Sie spricht aus, was ihr gerade in den Sinn kommt, und etwas später hat sie es schon wieder vergessen. Sie meint es zwar ernst in dem Moment, kann sich aber danach an nichts mehr erinnern. Und dann meldet sich plötzlich aus heiterem Himmel ihr Gewissen als Mutter. Das geht mir höllisch auf die Nerven.«
»Aber …«, versuchte ich einzuwenden.
»Dabei ist sie wirklich außergewöhnlich begabt. Als Mutter taugt sie überhaupt nichts, und trotzdem interessiert sie mich, obwohl sie so chaotisch ist. Ganz anders als Papa. Ich weiß nur nicht warum. Jetzt will sie plötzlich, dass wir Freundinnen werden. Aber den Kräften nach stehen wir auf ganz unterschiedlichen Stufen. Sie ist erwachsen und hat eine überwältigende Power, und ich bin noch ein Kind. Das erkennt doch jeder, oder? Nur Mama kapiert das nicht. Sie will, dass wir Freundinnen werden, aber je mehr sie sich darum bemüht, desto mehr verletzt sie mich, ohne es zu merken. In Sapporo war das genauso. Sie hat versucht, mir näher zu kommen, und ich habe es meinerseits auch versucht. Ich habe mich wirklich bemüht. Aber da war sie schon wieder ganz woanders mit ihren Gedanken. Und wenn sie den Kopf voll hat, blendet sie mich einfach aus. Sie ist unglaublich launenhaft.« Yuki warf die angeknabberte Brezel in den Sand. »Sie hat mich nach Sapporo mitgenommen, aber dann einfach vergessen und ist nach Katmandu weitergereist. Erst drei Tage später fiel ihr ein, dass sie mich im Stich gelassen hatte. Ob das nun mit der Kunst oder der Liebe zusammenhängt, wie kann sie mir so was antun? Sie ahnt gar nicht, wie sehr sie mich damit verletzt. Ich habe Mama gern, glaube ich zumindest. Und ich fände es schön, wenn wir befreundet wären, aber ich möchte nicht noch einmal so von ihr an der Nase herumgeführt werden. Je nach Laune hin und her geschoben zu werden, habe ich satt.«
»Es stimmt alles, was du sagst«, erwiderte ich. »Alles ist völlig nachvollziehbar.«
»Aber nicht für Mama. Sie würde wieder mal nur Bahnhof verstehen.«
»Das glaube ich auch.«
»Deshalb bin ich so gereizt.«
»Verstehe ich gut. Wir Erwachsenen greifen dann zum Alkohol.«
Yuki schnappte sich meine Piña Colada und stürzte das halbe Glas hinunter. Gar nicht so wenig, denn das Glas hatte die Größe eines Goldfischbassins. Ein wenig später sah sie mich mit glasigen Augen an.
»Ich fühl’ mich ein bisschen komisch«, sagte sie. »Mir ist so warm, und ich bin müde.«
»Dann ist doch alles okay. Ist dir schlecht?«
»Überhaupt nicht. Ich fühle mich wohl.«
»Na bitte. Es war ein langer Tag. Ob man nun dreizehn oder vierunddreißig ist, man hat doch ein Recht darauf, sich am Ende noch ein bisschen wohl zu fühlen.«
Ich zahlte, hakte Yuki unter und kehrte mit ihr zum Hotel zurück. Dort schloss ich ihre Zimmertür auf.
»Also«, sagte Yuki.
»Ja?«
»Gute Nacht«, wünschte sie mir.
Es folgte ein weiterer
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