Tanz mit dem Schafsmann
gehen wir erst mal schwimmen, und dann mach ich uns ein gutes Abendessen.«
Wir waren etwa eine Stunde im Wasser. Yuki erwies sich als exzellente Schwimmerin. Wir schwammen hinaus, tauchten und tollten herum. Nachdem wir geduscht hatten, gingen wir zum Supermarkt und kauften für das Abendessen ein. Ich grillte die Steaks mit Zwiebeln und Sojasauce und machte einen Salat. Dazu gab es Miso-Suppe mit Tofu und Schalotten. Es wurde ein behagliches Mahl. Ich trank kalifornischen Wein, und Yuki trank auch ein halbes Glas davon.
»Du kannst sehr gut kochen«, lobte sie mich.
»Nein, das stimmt nicht. Ich koche mit Liebe. Das macht einen gewaltigen Unterschied. Es ist eine Frage der Einstellung. Wenn man wirklich bereit ist, sich einer Sache mit ganzem Herzen zu widmen, dann meistert man sie auch bis zu einem gewissen Grad. So kann man sich ein angenehmes Leben schaffen.«
»Mehr nicht?«
»Der Rest ist Glückssache.«
»Du hast die Gabe, einen richtig runterzuziehen. Nennst du das erwachsen sein?«, sagte Yuki resigniert.
Nachdem das Geschirr gespült war, machten wir einen Bummel auf der belebten Kalakaua Avenue, wo gerade die Lichter angingen. Wir begutachteten das Warenangebot einiger skurriler Läden, beobachteten andere Passanten und machten einen Abstecher in die überfüllte Strandbar des Royal Hawaiian Hotel. Ich trank meine obligatorische Piña Colada und Yuki einen Fruchtsaft. Mir fiel Dick North ein, der solch einen abendlichen Trubel verabscheuen würde. Mich störte das alles kaum.
»Was hältst du von meiner Mutter?«, fragte mich Yuki.
»Ich weiß nicht so genau. Nach der ersten Begegnung kann ich das schwer sagen«, erwiderte ich nach kurzem Nachdenken. »Es dauert bei mir immer eine Weile, bis ich alles berücksichtigt habe und mir ein Urteil bilden kann. Ich bin nämlich leider nicht besonders schlau.«
»Aber du hast dich ein bisschen über sie geärgert, oder?«
»Meinst du?«
»Doch, man hat’s dir deutlich angesehen«, sagte Yuki.
»Na ja, kann schon sein«, räumte ich ein. Ich nahm einen Schluck von meinem Cocktail und schaute aufs Meer hinaus. »Ich glaube, du hast Recht. Ich habe mich etwas geärgert.«
»Über was denn?«
»Darüber, dass keiner von den Menschen, die sich um dich kümmern müssten, ernsthaft Verantwortung übernehmen will. Aber mir steht es nicht zu, mich darüber aufzuregen. Außerdem nützt es sowieso nichts.«
Yuki knabberte an ihrer Brezel. »Ich nehme an, keiner weiß, was zu tun ist. Sie wollen etwas tun, wissen aber nicht, wie und was.«
»Vermutlich hast du Recht. Anscheinend weiß es wirklich keiner.«
»Du denn?«
»Ich warte, bis ein Anzeichen konkrete Gestalt annimmt, und dann kann ich etwas unternehmen.«
Yuki zupfte am Ausschnitt ihres T-Shirts herum und dachte darüber nach. »Was heißt das?« fragte sie.
»Man muss einfach abwarten«, erklärte ich. »Geduld haben und warten, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Einfach nur den Fluss der Ereignisse beobachten, ohne gewaltsam einzugreifen. Man sollte sich bemühen, die Dinge gleichmütiger und objektiver zu betrachten. Dann ergibt sich alles von selbst. Die meisten Leute sind einfach zu beschäftigt. Zu talentiert, und ihre Terminkalender sind zu voll. Sie sind zu sehr mit sich selbst befasst, um ernsthaft darüber nachzudenken, was fair wäre.«
Yuki stützte einen Ellbogen auf und wischte die Brotkrümel vom rosafarbenen Tischtuch. Am Nebentisch saß ein amerikanisches Rentnerpaar – er im Aloha-Hemd und sie im gleich gemusterten Muumuu. Beide süffelten sie an einem quietschbunten Tropical Cocktail in einem Riesenglas. Sie sahen sehr glücklich aus. In dem mit Gaslicht-Fackeln beleuchteten Innenhof des Hotels spielte eine Frau im gleichen Muumuu-Gewand elektrisches Klavier und sang dazu Song For You, allerdings nicht sehr gut. Als das Lied zu Ende war, klatschten einige Leute. Yuki nahm einen Schluck von meiner Piña Colada.
»Mmm, lecker«, sagte sie.
»Zwei Stimmen für lecker«, sagte ich. »Antrag angenommen.«
Yuki starrte mich fassungslos an. »Aus dir werde ich nicht schlau. In einem Moment bist du Mister Cool persönlich, und im nächsten flippst du schon wieder aus.«
»Ungewöhnlich zu sein heißt eben, zugleich ausgeflippt zu sein. Kümmere dich nicht weiter darum«, erklärte ich ihr und bestellte eine zweite Piña Colada bei einer beängstigend freundlichen Kellnerin. Powackelnd brachte sie den neuen Drink und grinste wie die Cheshire-Katze aus Alice im Wunderland ,
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