Tanz mit dem Schafsmann
mich in den feinen ethnischen Unterschieden nicht aus, aber sie musste aus der Ecke kommen. Eine hübsche Frau. Zierlich, dunkelhäutig, große Augen. Sie trug ein pinkfarbenes Satinkleid. Handtasche und Schuhe waren ebenfalls pink. Um ihr linkes Handgelenk war eine große rosa Schleife gebunden, die sie wie ein Geschenkpaket aussehen ließ. Ich wunderte mich über diesen sonderbaren Armschmuck. Sie legte die Hand an die Tür und lächelte mich an.
»Ich heiße June«, sagte sie auf Englisch mit leichtem Akzent.
»Hi, June«, sagte ich.
»Darf ich reinkommen?«, fragte sie und deutete hinter mich.
»Moment mal«, erwiderte ich hastig. »Sie haben sich wahrscheinlich an der Tür geirrt. Zu wem wollen Sie denn?«
»Hm, warten Sie …« Sie kramte einen Zettel aus ihrer Tasche. »Mister …« Sie zeigte mir die Notiz.
»Ja, das bin ich«, bestätigte ich.
»Dann bin ich ja richtig.«
»Halt, so einfach geht das nicht«, sagte ich. »Der Name stimmt zwar, aber ich weiß immer noch nicht, was Sie von mir wollen. Wer sind Sie überhaupt?«
»Kann ich nicht doch erst mal reinkommen? Hier draußen kann man alles mithören. Was sollen die Leute denken? Keine Sorge, ich werde nicht sagen: ›Hände hoch‹ oder so etwas.«
Sie hatte Recht. Wenn wir hier noch weiter im Flur debattierten, weckten wir womöglich Yuki auf. Ich ließ sie herein. Und machte mich auf alles gefasst.
June setzte sich unaufgefordert aufs Sofa. Ich fragte sie, ob sie etwas trinken wolle. Das Gleiche wie ich, sagte sie. Ich mixte in der Küche zwei Gin-Tonics, dann setzte ich mich ihr gegenüber. Sie schlug aufreizend die Beine übereinander und nippte genüsslich an ihrem Drink. Schöne Beine.
»Okay, June, weshalb sind Sie hier? Was wollen Sie von mir?«
»Man hat mich hierherbestellt«, sagte sie unverblümt.
»Wer?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ein anonymer Herr, der Ihnen etwas Gutes zukommen lassen möchte. Er hat im Voraus bezahlt, aus Japan. Er hat für Sie bezahlt. Verstehen Sie?«
Makimura. Das meinte er also mit ›Geschenk‹. Deshalb trug sie auch dieses alberne Band am Handgelenk. Vermutlich dachte er, wenn er mir eine Frau zuschanzt, lasse ich die Finger von seiner Tochter. Sehr praktisch! Wirklich praktisch! Ich bewunderte ihn eher für diesen Einfall, als dass ich mich darüber aufregte. Was für eine Welt! Jeder möchte mir eine Frau kaufen.
»Er hat für die ganze Nacht bezahlt. Wir haben also reichlich Zeit, uns zu vergnügen. Mein Körper wird Ihnen gefallen.«
June zog die Beine hoch, befreite sich von ihren pinkfarbenen Sandaletten und ließ sie kokett auf den Boden fallen.
»Tut mir leid, aber das kann ich nicht«, wandte ich ein.
»Wieso, sind Sie schwul?«
»Nein, ich bin nicht schwul, wir haben nur unterschiedliche Auffassungen, ich und mein edler Spender. Darum werde ich nicht mit Ihnen schlafen. Das ist eine Frage des Anstands.«
»Er hat aber schon bezahlt, und ich kann das Geld nicht zurückgeben. Er erfährt doch ohnehin nicht, ob wir miteinander gevögelt haben oder nicht. Ich werde anschließend kein Ferngespräch mit ihm führen und ihm berichten: ›Yes, Sir, wir haben es drei Mal getrieben.‹ Letztlich ist es egal, ob wir es tun oder nicht. Mit Anstand hat das nichts zu tun.«
Ich seufzte und trank meinen Gin-Tonic.
»Los, tun wir’s«, sagte sie. »Es macht doch Spaß.«
Ich wußte nicht mehr, was ich davon halten sollte. Ich hatte es satt, dauernd nachzugrübeln und alles erklären zu müssen. Nach einem zufrieden stellenden Tag war ich bereits mit einem Fuß im Reich der Träume gewesen, und plötzlich taucht eine unbekannte Frau auf und will, dass wir es tun. In was für einer Welt lebte ich nur?
»Wollen wir nicht noch einen Drink nehmen?«, fragte June.
Ich nickte, worauf sie aus der Küche zwei neue Gin-Tonics brachte. Ich schaltete das Radio an. Sie rekelte sich, als wäre sie bei sich zu Hause. Im Radio lief Hardrock.
» Saiko«, rief June auf Japanisch, um ihrem Wohlbefinden Ausdruck zu verleihen. Sie setzte sich neben mich und kuschelte sich an, während sie ihren Drink schlürfte. »Denk nicht so viel nach. Ich bin Profi, weißt du? Davon habe ich mehr Ahnung als du. Vergiss die Logik. Überlass alles nur mir. Das hat mit dem Herrn in Japan nichts mehr zu tun. Er hat hier seine Finger nicht im Spiel. Dies geht nur mich und dich etwas an.«
June ließ ihre Finger über meine Brust gleiten. Mir wurde wirklich alles zu kompliziert. Es handelte sich schließlich nur
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