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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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im Untergeschoss, überdachter Swimmingpool, Sauna und Solarien. Hallentennis, Fitnesscenter mit Trainer und Geräten, Konferenzräume, ausgerüstet für Simultanübersetzung, fünf Restaurants, drei Bars und eine ganztägig geöffnete Cafeteria. Und nicht zu vergessen, ein Limousinen-Service sowie ein Arbeitsraum mit Büroausstattung, der allen Gästen zur Verfügung stand. Alles Erdenkliche und noch etwas mehr. Sogar ein Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach. Es gab nichts, was es nicht gab.
    Neueste Einrichtungen in exquisiter Ausstattung.
    Aber was für ein Wirtschaftsunternehmen steckte dahinter? Wer war der Besitzer und Betreiber dieses Hotels? Ich las mir den Prospekt mehrmals durch, doch über die Geschäftsleitung stand nirgends ein Wort. Das musste einen doch stutzig machen. Nur ein professionelles Unternehmen, das bereits eine Hotelkette besitzt, ist in der Lage, ein derartiges Luxushotel zu bauen und zu führen. Ein Unternehmen dieser Größenordnung würde seinen Firmennamen garantiert überall anbringen und jede Gelegenheit nutzen, auch für die anderen Hotelfilialen zu werben. Steigt man beispielsweise im Hotel Prince ab, dann sind im Prospekt sämtliche Prince-Hotels in Japan mit Adressen und Telefonnummern aufgelistet. So läuft das normalerweise.
    Und weshalb sollte ein Prunkbau wie dieser den altbackenen Namen seines unbedeutenden Vorgängers, eines klitzekleinen Hotelchens übernehmen?
    Ich hatte nicht die geringste Ahnung.
    Ich warf den Prospekt auf den Tisch, sank ins Sofa zurück, streckte die Beine aus und schaute aus dem Fenster in der fünfzehnten Etage. Nur der strahlend blaue Himmel war zu sehen. Nach einer Weile hatte ich das Gefühl zu fliegen. Wie ein Milan. Dennoch, ich vermisste das alte Hotel Delfin. Damals gab es vom Fenster aus allerhand zu sehen.

6
    Ich machte einen Rundgang durchs Hotel, um mir die Zeit bis zum Abend zu vertreiben. Ich inspizierte die Restaurants und Bars, warf einen Blick in den Pool- und Saunabereich sowie in das Fitnessstudio und die Tennishalle. Dann kaufte ich in den Shopping-Arkaden ein paar Bücher. Ich durchquerte die Empfangshalle und machte einen Abstecher in den Spielsalon, wo ich einige Runden Pacman spielte. Allein damit verbrachte ich den ganzen Nachmittag. Das Hotel war praktisch ein Vergnügungspark. Die Welt bietet einem eben allerhand Möglichkeiten, die Zeit totzuschlagen.
    Danach ging ich hinaus, um mir die Gegend anzuschauen. Als ich durch die frühabendlichen Straßen schlenderte, kam mir die Topographie dieses Viertels wieder in Erinnerung. Damals, als ich mich in dem alten Hotel Delfin einquartiert hatte, war ich tagtäglich stundenlang hier herumgelaufen. In welche Straße ich auch einbog, stets entdeckte ich etwas Bekanntes. Da das alte Hotel über keinen Speisesaal verfügte – den ich ohnehin nicht betreten hätte –, hatten Kiki und ich uns immer in der Nähe ein Esslokal gesucht. Jetzt hatte ich das Gefühl, mein Heimatviertel zu besuchen. Unbekümmert und ziellos schlenderte ich durch die vertrauten Straßen.
    Nachdem die Sonne untergegangen war, wurde es ziemlich kühl. Meine Schritte knirschten laut auf dem vereisten Schneematsch. Es war allerdings windstill, was den Spaziergang angenehm machte. Die Luft war frisch und klar. Selbst die von den Abgasen grau gefärbten Schneehaufen, die sich an jeder Ecke wie Ameisenhügel auftürmten, funkelten märchenhaft in der abendlichen Beleuchtung.
    Das Viertel hatte sich seit damals merklich verändert. Damals lag wie gesagt erst viereinhalb Jahre zurück, sodass die meisten Lokale, die ich seinerzeit aufgesucht hatte, mehr oder weniger noch dieselben waren. Auch die Atmosphäre hatte sich zwar nicht grundlegend gewandelt, aber dennoch gab es überall Zeichen der Veränderung, die einem sofort ins Auge sprangen. Einige Läden hatten dichtgemacht, aufgestellte Schilder kündigten Bauvorhaben an. Ein großes Projekt war gerade im Bau. Ein Drive-in-Burger, Designer-Boutiquen, ein Autosalon mit europäischen Wagen, ein modisch gestyltes Szene-Café mit Salharzbäumen im Innenhof sowie ein schlichtes Bürogebäude mit gläserner Fassade – wie Pilze waren diese neuen Einrichtungen aus dem Boden geschossen, denen die alten, schäbigen doppelgeschossigen Holzhäuser hatten weichen müssen. Auch die Imbissstuben mit ihren klirrenden Perlenvorhängen am Eingang waren verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Ebenso der Süßwarenladen, wo die Katze immer vor dem Ofen gedöst hatte. Diese

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