Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
Empfangshalle. Kein Faux pas meinerseits, bloß ein Unterschied im Lebensstil.
    »Sie haben eine Frage bezüglich unseres Hotels?«, erkundigte er sich in äußerst höflichem Ton.
    Ich legte beide Hände auf den Tresen und wiederholte mein Anliegen. Der Mann beäugte meine Micky-Maus-Armbanduhr. Wie ein Tierarzt, der die verstauchte Pfote einer Katze mustert.
    »Darf ich fragen«, sagte er kurz darauf, »weshalb Sie sich nach dem früheren Hotel erkundigen? Ich würde gerne den Grund erfahren, wenn Sie gestatten.«
    Ich gab ihm eine einfache Erklärung: Vor ein paar Jahren sei ich in dem alten Hotel Delfin abgestiegen und hätte damals den Besitzer kennen gelernt; und jetzt habe sich plötzlich alles sehr verändert. Ich würde gerne wissen, was aus ihm geworden sei. Es sei auf jeden Fall eine ganz private Angelegenheit.
    Der Hotelfachmann nickte mehrmals verständnisvoll.
    »Ehrlich gesagt, bin ich selbst nicht über alle Einzelheiten informiert.« Er wählte seine Worte mit Bedacht. »Meine Kenntnisse der Hotelgeschichte belaufen sich darauf, dass unser Konzern das Grundstück, auf dem das alte Hotel stand, erworben und darauf das neue Gebäude errichtet hat, in dem wir uns gerade befinden. Wie Sie sehen, ist der Name fast gleich geblieben, der Betrieb hingegen in völlig anderen Händen. Da gibt es praktisch keine Verbindung mehr zum Vorgänger.«
    »Warum hat man dann den Namen übernommen?«
    »Sie müssen entschuldigen, aber ich fürchte, da …«
    »Ich nehme an, dass Sie auch keine Ahnung haben, wo ich den früheren Besitzer finden kann?«
    »Tut mir leid, nein. Ich weiß es wirklich nicht«, erwiderte er und wechselte zu Lächeln Nr. 16.
    »Gibt es sonst jemanden, den ich fragen könnte? Jemand, der eventuell Bescheid weiß?«
    »Nun ja«, sagte er zögernd und schüttelte leicht den Kopf. »Unsereins ist lediglich mit der aktuellen Situation vertraut, alles, was sich vor der Eröffnung abgespielt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Also wenn Sie etwas Spezielles wissen möchten, fürchte ich …«
    Was er sagte, war nicht von der Hand zu weisen, und dennoch irritierte mich etwas an der ganzen Sache. Sowohl das Gehabe dieses Mannes als auch das der jungen Frau machten auf mich einen irgendwie künstlichen, aufgesetzten Eindruck. Ich konnte nicht genau sagen, was mich störte, konnte es aber auch nicht so ohne weiteres schlucken. Wenn man es gewohnt ist, Interviews zu führen, entwickelt man wahrscheinlich instinktiv einen sechsten Sinn. Für diesen gewissen Unterton, wenn jemand etwas verheimlicht. Für diesen gewissen Gesichtsausdruck, wenn jemand lügt. Es war zwar völlig unbegründet, aber dennoch spürte ich, dass hier etwas nicht stimmte.
    Natürlich war mir klar, dass aus ihnen mehr nicht herauszuquetschen war. Ich dankte dem Mann, er entschuldigte sich und zog sich zurück. Als sein dunkler Anzug außer Sicht war, erkundigte ich mich bei der jungen Dame nach Speisemöglichkeiten und nach dem Zimmerservice. Sie gab mir höfliche Auskunft. Während sie mir alles aufzählte, schaute ich ihr in die Augen.
    Wunderschöne Augen. Ich hatte das Gefühl, darin lesen zu können. Als sie merkte, dass ich sie anstarrte, wurde sie rot. Wofür ich sie umso mehr mochte. Wieso eigentlich? Weil sie wie die Hotelfee aussah? Ich dankte ihr, wandte mich um und fuhr mit dem Lift hinauf in meine Etage.
    Nummer 1523 war ein imposantes Zimmer. Für eine einzelne Person waren sowohl das Bett als auch das Bad äußerst großzügig bemessen. Ein komplettes Set aus Shampoo, Cremespülung und Aftershave stand zur Verfügung, ebenso ein Bademantel. Der Kühlschrank war mit Erfrischungen gefüllt. Es gab einen großen Schreibtisch mit einem Stapel Briefpapier und Umschlägen. Und der Kleiderschrank war riesig und der neu aussehende Teppich noch ganz flauschig. Ich zog Jacke und Stiefel aus, setzte mich aufs Sofa und las die Hotelbroschüre. Auch so ein Glanzstück.
    Das DOLPHIN Hotel repräsentiert einen ganz neuen Typ erstklassiger Cityunterkünfte, stand darin. Aktuellster Komfort und Zimmerservice rund um die Uhr. Geräumige Gästezimmer in luxuriöser Ausstattung. Erlesenes Mobiliar, ruhige und behagliche Atmosphäre. Ein professionelles Ambiente mit menschlichem Antlitz.
    Mit anderen Worten, sie hatten sich den Spaß was kosten lassen. Dementsprechend gepfeffert waren die Preise.
    Wenn man sich den Prospekt genau anschaute, entpuppte sich das Hotel tatsächlich als vielgestaltige Anlage. Großzügige Shopping-Arkaden

Weitere Kostenlose Bücher