Tanz mit dem Schafsmann
Miyashita-Park detonierte Gasbombe. Dann schlug die Stunde der hochkapitalistischen Gesellschaft. Und in der bin ich mutterseelenallein zurückgeblieben.
Ich zahlte und ging. Ohne weiter nachzudenken, steuerte ich das Hotel an. Ich kannte den Weg nicht mehr so genau und hatte die leise Befürchtung, ich könnte es verfehlen. Doch meine Besorgnis war umsonst. Ich entdeckte es augenblicklich. Es hatte sich in einen sechsundzwanzigstöckigen, glitzernden Wolkenkratzer verwandelt: eine stromlinienförmige Symphonie aus Glas und Stahl im Bauhaus-Stil. Mit flatternden Fahnen aller Nationen entlang der Auffahrt. Taxis herbeiwinkende Türsteher in adretten Uniformen und ein gläserner Fahrstuhl, der zu einem Dachrestaurant hochglitt … Wem hätte das entgehen können? Auf den Marmorsäulen, die den Eingang flankierten, war das Bild eines Delfins eingraviert, unter dem die Inschrift stand: DOLPHIN HOTEL.
Ich stand wie angewurzelt davor und starrte mit offenem Mund an der Fassade hinauf. Als ich die Fassung wiedergewonnen hatte, stieß ich einen tiefen, langen Seufzer aus, der gut bis zum Mond hätte reichen können. Zu sagen, »ich war maßlos überrascht«, wäre maßlos untertrieben.
5
Ich konnte nicht ewig hier herumstehen und die Fassade anglotzen. Was immer das für ein Gebäude war, die Adresse stimmte, der Name ebenfalls. Außerdem hatte ich ein Zimmer reserviert. Also nichts wie rein.
Ich ging die leicht geschwungene Auffahrt hoch und trat durch die funkelnde Drehtür ein. Das Foyer war geräumig wie eine Turnhalle, die Decke schwebte hoch über dem Treppenhaus. Durch eine Glaswand, so hoch wie der Raum, flutete Sonnenlicht herein. In der Halle standen protzige Designersofas, zwischen denen großzügig Kübel mit Zimmerpflanzen verteilt waren. Ganz hinten befand sich ein nobles Café. Vermutlich eins von der Sorte, wo sie einem, wenn man ein Sandwich bestellt, vier Häppchen auf einem Silbertablett servieren. Angeordnet wie Visitenkarten und künstlerisch garniert mit Kartoffelchips und Delikatessgürkchen. Noch einen Kaffee dazu, und man bezahlt so viel wie für ein bescheidenes Mittagsmahl, von dem eine vierköpfige Familie satt werden würde. An der Wand prangte ein riesiger Ölschinken, mindestens drei Tatamimatten groß. Das Bild sollte offenbar eine Sumpflandschaft in Hokkaido darstellen. Imposant, schon allein wegen des Formats.
In der Halle herrschte Gedränge. Es bahnte sich offensichtlich eine Feier an. Elegant gekleidete Männer mittleren Alters belagerten die Sofas, nickend und großmütig lächelnd. Alle hatten auf gleiche Weise die Kinnlade vorgeschoben und die Beine übereinander geschlagen. Womöglich eine Zusammenkunft von Ärzten oder Hochschulprofessoren, überlegte ich. Abseits davon – oder vielleicht gehörten sie ja auch dazu – eine Gruppe formell gekleideter junger Frauen, die Hälfte davon im Kimono, die anderen im Kleid. Ein paar Ausländer mengten sich auch darunter. Ein typischer Geschäftsmann in dunklem Anzug, mit dezenter Krawatte und Aktenkoffer in der Hand, schien auf jemanden zu warten.
Kurzum, das Geschäft florierte im neuen Dolphin Hotel.
Es handelte sich eindeutig um ein Hotel, das mit ansehnlichem Kapital errichtet worden war und sich nun ebenso ansehnlicher Einnahmen erfreute. Ich weiß, wie solch ein Hotel geplant und gebaut wird. Da ich einmal an einer Werbebroschüre für eine Hotelkette mitgearbeitet habe, kenne ich den Ablauf. Bevor man ein Hotel dieser Größenordnung baut, wird zunächst das gesamte Vorhaben bis ins kleinste Detail kalkuliert. Berater werden hinzugezogen, die sämtliche Informationen in ihre Computer speisen, um eine gründliche Simulation durchzuführen. Alles wird berechnet, bis hin zum Einkaufspreis und Verbrauch von Toilettenpapier. Außerdem schickt man studentische Hilfskräfte auf die Straße, um die Anzahl der jungen Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter zu ermitteln, damit man weiß, wie viele Hochzeiten anstehen. Nichts wird bei dieser Marktforschung ausgelassen. Das Geschäftsrisiko wird somit gering gehalten.
Sie entwickeln über mehrere Monate einen möglichst genauen Plan. Bilden ein Projektteam, kaufen ein Grundstück, rekrutieren das Personal und setzen eine große Werbekampagne in Gang. Wenn es nur eine Frage des Geldes ist – und sie überzeugt sind, dass es irgendwann wieder hereinkommt –, pumpen sie Unmengen an Kapital hinein. Big Business im großen Stil. Und die einzigen Unternehmen, die ein solches
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