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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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bizarre Mixtur von Stilen vermittelte den Eindruck einer vorübergehenden Koexistenz, wie nachwachsende Zähne im Mund eines Kindes. Eine Bank hatte soeben eine Filiale eröffnet, vermutlich im Kielwasser des neuen Dolphin Hotels. Kaum baut man ein Hotel dieses Formats in einem Winkel eines ganz gewöhnlichen, wenn auch ein bisschen heruntergekommenen Viertels, gerät gleich alles aus den Fugen. Das Gleichgewicht wird erheblich gestört. Statt des gemächlichen Treibens tobt nun das Leben. Die Grundstückspreise schnellen in die Höhe.
    Vielleicht war dieser Wandel ja eher kumulativ geschehen. Nicht das Auftauchen des Dolphin Hotels hatte die Umwälzungen in dem Viertel in Gang gesetzt, sondern sein Auftauchen war selbst nur ein Phänomen innerhalb eines allgemeinen lokalen Wandels. In einem langfristig geplanten Stadtsanierungsprojekt.
    Ich suchte eine Kneipe auf, in der ich früher schon einmal gewesen war, und bestellte einen Drink und eine Kleinigkeit zum Essen. Das Lokal war schmuddelig, laut, billig und gut. Die Art von Schuppen, die ich immer aufsuche, wenn ich allein essen gehe. Ich fühle mich dort einfach wohler, entspannter. Überhaupt nicht einsam, denn da kann ich sogar mit mir selbst reden, ohne dass es jemand bemerkt.
    Nach dem Imbiss hatte ich noch Lust auf etwas anderes und bestellte ein Kännchen Sake. Als das warme Gebräu mir in den Magen sickerte, fragte ich mich, was zum Teufel ich hier eigentlich zu suchen hatte. Das Hotel Delfin, in das ich ursprünglich wollte, existierte nicht mehr. Dann spielte es auch keine Rolle, wonach ich dort suchte. Es war einfach verschwunden, existierte nicht mehr. Und statt seiner stand nun dieser idiotische High-Tech-Bunker da, wie eine Geheimstation in »Krieg der Sterne«. Alles war nur ein verspäteter Traum. Ich hatte lediglich das abgerissene, verschwundene Hotel halluziniert. Von Kiki geträumt, wie sie das Hotel verlässt und fortgeht. Mag sein, dass dort jemand um mich geweint hatte. Aber auch das war jetzt vorbei. Nichts war geblieben. Was treibst du hier eigentlich noch, Junge?
    Das war’s also, dachte ich. Vielleicht ist es mir auch laut herausgerutscht. Das war’s und basta! Nichts ist geblieben. Du hast hier absolut nichts mehr zu suchen.
    Mit zusammengepressten Lippen stierte ich auf die Sojasaucenflasche vor mir.
    Kaum lebt man eine Weile allein, starrt man alle möglichen Objekte an. Mitunter führt man auch Selbstgespräche. Man speist in lärmenden Kneipen. Entwickelt eine intime, liebevolle Beziehung zu seinem gebrauchten Subaru. Und wird so langsam, aber sicher zu einem anachronistischen Kauz.
    Ich verließ das Lokal und ging zum Hotel zurück. Es lag ein ziemliches Stück entfernt, war jedoch nicht schwer zu finden. Ich brauchte nur nach oben zu schauen: Das Dolphin überragte alles. Zielstrebig wie die Heiligen Drei Könige, die sich am Stern von Bethlehem, Jerusalem oder sonstworan orientiert hatten, steuerte ich auf das Hotel zu.
    Wieder auf meinem Zimmer, nahm ich zuerst ein Bad. Während ich mir die Haare trockenrubbelte, betrachtete ich die Skyline von Sapporo. Stand damals vis-à-vis nicht ein kleines Firmengebäude? Um was für einen Betrieb es sich handelte, habe ich nie herausbekommen, aber es war mit Sicherheit eine Firma gewesen. Die Leute dort hatten einen sehr geschäftigen Eindruck gemacht. Das war meine Aussicht gewesen, Tag für Tag. Was mochte aus dieser Firma geworden sein? Ein hübsches Mädchen hatte dort gearbeitet. Was machte sie jetzt wohl?
    Eine Weile lungerte ich untätig im Zimmer herum, bis ich mich vor den Fernseher hockte. Es lief nur schreckliches Zeug. Zum Kotzen. Alles aufgesetzt und künstlich. Nicht unbedingt obszön, aber wenn man sich das länger angucken würde, käme einem wirklich das Kotzen. Ich zog mich wieder an und fuhr in die Bar im sechsundzwanzigsten Stock. Dort setzte ich mich an die Theke und bestellte einen Wodka-Soda mit Zitrone. Eine Wand war vollständig verglast und bot das Panorama von Sapporo bei Nacht – wie eine Stadt im All. Ansonsten war es dort ruhig und angenehm. Sie mixten anständige Drinks, und auch die Gläser waren von guter Qualität. Sie klangen so hübsch beim Anstoßen. Außer mir waren nur noch drei andere Gäste da. Zwei Männer mittleren Alters saßen hinten an einem Tisch, tranken Whiskey und tuschelten geheimnisvoll miteinander. Ich verstand zwar nichts, aber so wie es aussah, ging es um etwas Hochbrisantes. Planten sie vielleicht einen Anschlag auf Darth

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