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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Es ist mir vertraut.«
    »Ach so, darum.«
    »Was heißt, darum ?«
    »Na, wenn Sie an der Rezeption stehen, sehen Sie aus wie die Hotelfee.«
    »Hotelfee?« Sie lachte. »Das ist ja hübsch gesagt. Wenn ich doch nur eine werden könnte!«
    »Das können Sie, wenn Sie nur wollen. Davon bin ich überzeugt.« Ich lächelte zurück. »Aber niemand bleibt lange in einem Hotel. Finden Sie das gut? Alle halten sich dort nur vorübergehend auf.«
    »Das stimmt«, erwiderte sie. »Aber wenn sich etwas festsetzt, macht es mir Angst. Ich weiß auch nicht, warum. Vielleicht, weil ich zu scheu bin? Man kommt, man geht – das beruhigt mich. Komisch, nicht wahr? Normalerweise denken junge Frauen nicht so. Sie sind auf der Suche nach etwas Stabilem, Sicherem. Bei mir ist das nicht so. Keine Ahnung, weshalb.«
    »Ich glaube nicht, dass Sie sonderbar sind«, erwiderte ich. »Sie sind einfach noch nicht gefestigt.«
    Sie schaute mich verwundert an. »Sagen Sie, warum verstehen Sie mich so gut?«
    »Warum? Irgendwie kann ich es nachempfinden.«
    Sie dachte einen Moment darüber nach und bat mich dann, von mir zu erzählen.
    »Ach, das ist nicht so interessant.« Ich versuchte auszuweichen, doch sie bestand darauf. Also lieferte ich eine Kurzfassung: Vierunddreißig. Geschieden. Dass ich meinen Lebensunterhalt mit kleinen Artikeln verdiente und einen gebrauchten Subaru fuhr. Kein Neuwagen, aber mit Stereoanlage und klimatisiert.
    Meine Vorstellung. Objektive Fakten.
    Sie wollte aber noch mehr über meine Tätigkeit wissen. Ich hatte nichts zu verbergen, also erzählte ich ihr von einem Interview mit einer Filmschauspielerin und von der Reportage über Restaurants in Hakodate.
    »Klingt interessant«, sagte sie.
    » Interessant kann man es nicht gerade nennen. Das Schreiben an sich ist keine große Sache. Es entspannt mich sogar. Aber der Inhalt ist gleich null. Belanglos.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Na, zum Beispiel die Restaurants. Man klappert an einem Tag fünfzehn Läden ab, kostet einen Bissen von jedem Gericht und lässt den Rest auf dem Teller. Ich finde das unmöglich.«
    »Aber Sie können doch nicht alles aufessen, oder?«
    »Natürlich nicht. Dann wäre ich in drei Tagen hinüber. Und alle würden mich für einen Idioten halten. Bei so was draufzugehen, brächte mir kein Mitgefühl ein.«
    »Na also, Sie haben keine andere Wahl«, sagte sie lachend.
    »Da haben Sie Recht«, gab ich zu. »Das ist mir auch klar. Für mich ist es wie Schneeschaufeln. Man tut es, weil es getan werden muss, aber es macht eben keinen Spaß.«
    »Schneeschaufeln, oje«, sagte sie.
    »Na ja, kulturelles Schneeschaufeln«, korrigierte ich mich.
    Dann fragte sie mich über meine Scheidung aus.
    »Ich hatte eigentlich nicht vor, mich scheiden zu lassen, es hat sich vielmehr so ergeben. Sie war es, die mich eines Tages überraschend verlassen hat. Wegen eines anderen.«
    »Waren Sie gekränkt?«
    »In solch einer Situation ist wohl jeder normale Mensch mehr oder weniger gekränkt.«
    Sie legte den Kopf schief und schaute zu mir hoch. »Verzeihen Sie die blöde Frage, aber wie wirkte sich die Kränkung bei Ihnen aus? Ich kann mir nicht so genau vorstellen, wie das für Sie war. Was geschieht mit einem, wenn man verletzt ist?«
    »Man fängt an, sich Keith-Haring-Plaketten an den Mantel zu stecken.«
    Sie lachte. »Nur das?«
    »Ich will damit sagen, dass es zur Gewohnheit wird. Man schluckt es hinunter. Im Alltag macht sich die Verletzung nicht bemerkbar, aber sie ist immer noch da. So ist es mit Verletzungen nun mal. Man kann sie nicht zur Schau stellen. Sonst wären es keine ernstlichen Wunden.«
    »Ich verstehe sehr gut, was Sie meinen.«
    »Ach ja?«
    »Doch. Auch wenn ich nicht so wirke, aber ich bin einige Male verletzt worden, sogar ziemlich«, gab sie schüchtern zu. »Letztlich habe ich deswegen auch in dem Hotel in Tokyo gekündigt. Ich war gekränkt. Das war bitter. Bestimmte Dinge kriege ich einfach nicht so gut auf die Reihe wie andere Leute.«
    »Mhm«, machte ich.
    »Ich fühle mich noch immer gekränkt. Wenn ich daran denke, möchte ich manchmal am liebsten tot sein.« Sie fingerte an ihrem Ring, nippte an ihrer Bloody Mary und schob sich die Brille hoch. Dann schenkte sie mir ein nettes Lächeln.
    Wir hatten ziemlich viel getrunken. Ich hatte völlig den Überblick verloren, wie viele Drinks es gewesen waren. Es war bereits elf, als sie auf ihre Armbanduhr schaute und sagte, sie wolle nach Hause, da sie morgen früh aufstehen müsse.

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