Tanz mit dem Schafsmann
Steuern, verfügten jedoch weder über Geschäftsräume noch über Angestellte. Diese Scheinfirmen waren wiederum mit anderen Scheinfirmen verknüpft. Wer auch immer dahintersteckte, verstand es meisterhaft, mit Grundstücken zu jonglieren. Ein für 20 Millionen Yen erworbenes Grundstück wurde anschließend für 60 Millionen verkauft und später für 200 Millionen. Verfolgte man in diesem verworrenen Labyrinth aus Scheinfirmen die einzelnen Stränge zurück, dann liefen letztlich alle Fäden in einem Punkt zusammen: Industrie B, eine Firma, die mit Immobilien handelte. Deren Hauptsitz war ein echtes Unternehmen, eine große, moderne Zentrale im Tokyoter Stadtteil Akasaka. Industrie B wiederum hatte Verbindungen zum Konzern A, einem riesigen Konglomerat, das Bahnlinien, Hotelketten, Filmgesellschaften, Lebensmittelbetriebe, Kaufhäuser, Zeitschriften – mit anderen Worten, so ziemlich alles von Kreditinstituten bis zu Schadensversicherungen – umfasste. Der Konzern A hatte seinerseits direkte Kanäle zu bestimmten politischen Kreisen, was den Reporter veranlasst hatte, dort weiterzugraben. Und dabei machte er sehr interessante Entdeckungen. Das Gebiet in Sapporo, das Industrie B so emsig aufgekauft hatte, war für eine groß angelegte Stadtsanierung vorgesehen. Es existierten bereits Pläne für den Bau einer U-Bahn und den Umzug der Landesverwaltung dorthin. Der größte Teil der Finanzierung des Projekts stammte aus der Staatskasse. Es hatte den Anschein, als hätten die nationale, die präfekturale und die städtische Administration einen gemeinsamen Sanierungsplan entworfen und ein Programm festgelegt, das vom Gebiet über den Umfang bis hin zum Etat alle Details umfasste. Doch als man die Sache aufdeckte, zeigte sich, dass im Laufe der letzten Jahre jeder Quadratmeter des Sanierungsgebietes von einem bestimmten Drahtzieher systematisch aufgekauft worden war. Jemand ließ Informationen zum Konzern A fließen, während unter der Hand die Grundstückskäufe bereits auf Hochtouren liefen, und zwar noch bevor die Sanierungspläne zum Abschluss kamen. Dies wiederum legte den Verdacht nahe, dass die endgültige Planung auf politischer Ebene bereits von Anfang an festgestanden hatte.
Und hier trat das Dolphin Hotel als Speerspitze dieses abgekarteten Projekts in Erscheinung. Damit hatte man ein Filetstück ergattert. Dieses gigantische Hotel diente dem Konzern A nun als Hauptquartier und nahm damit eine führende Rolle in dieser Gegend ein. Als Blickfang und Symbol städtischen Wandels, das den Strom der Passanten umlenkte. Alles verlief nach einem ausgeklügelten Plan. Kapitalismus in Hochform. Wer das meiste Kapital bereitstellt, bekommt die entscheidenden Informationen, was wiederum maximalen Profit sichert. Und niemand macht sich die Finger schmutzig. Es handelt sich hier nur um eine Spielart heutiger Anlagemethoden. Man will eben aus seinen Investitionen den größtmöglichen Nutzen ziehen. Jemand, der einen Gebrauchtwagen kauft, tritt gegen die Reifen und wirft einen Blick unter die Motorhaube. Ebenso verhält sich ein Konzern, der hundert Milliarden Yen angelegt hat: Er überprüft genauestens die Effizienz seiner Investition, wobei mitunter auch gemauschelt wird. Um Fairness geht es hier schon lange nicht mehr. Bei solchen Summen bleibt die Moral außen vor. Hin und wieder greift man auch zu Gewaltmaßnahmen.
Angenommen, jemand weigert sich. Zum Beispiel ein schon lange bestehender Schuhladen, der sich dem Grundstücksverkauf widersetzt. Dann treten plötzlich die knallharten Burschen auf den Plan. Großkonzerne verfügen über eine Menge Verbindungen. Ihr Netz spinnt sich von Politikern über Schriftsteller, Rockstars bis hin zu Yakuza-Syndikaten, die alle nach ihrer Pfeife tanzen. Und schon sind die Jungs mit dem Samuraischwert zur Stelle. Die Polizei ist nicht gerade erpicht darauf, sich mit solchen Machenschaften auseinander zu setzen. Die Abmachungen in der obersten Etage waren ohnehin längst getroffen. Das ist nicht einmal Korruption. Sondern reine Strategie. Eine Frage der Kapitalanlage. Zugegeben, solche Praktiken waren schon immer gang und gäbe. Doch die kapitale Vernetzung ist unvergleichlich feinmaschiger als früher und damit viel robuster. Ermöglicht wurde dies durch Großcomputer. Alles, was auf unserem Planeten vorkam und geschah, wurde unausweichlich vernetzt. Durch Intensivierung und Differenzierung sublimierte man den Kapitalismus zu einem Ideal. Er bekam sogar eine sakrale Dimension.
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