Tanz mit dem Schafsmann
hilflos: »Sie haben Recht. Ich hätte Sie nicht anlügen sollen.«
»Aber?«
»Aber es rutschte mir einfach so heraus. Wie gesagt, ich habe schlechte Erfahrungen gemacht. Mir ist so einiges widerfahren.«
»Ich bin auch ein gebranntes Kind mit einem Keith-Hearing-Anstecker.«
Das brachte sie zum Lachen. »Hören Sie, wollen Sie nicht kurz mit hineinkommen und einen Tee trinken? Ich hätte Lust, noch ein bisschen mit Ihnen zu plaudern.«
Ich schüttelte den Kopf. »Danke für das Angebot. Ich würde mich auch gerne weiter mit Ihnen unterhalten, aber nicht heute. Ich gehe jetzt wohl besser. Wir sollten nicht zu viel auf einmal reden. Ich weiß auch nicht, warum ich das denke.«
Sie schaute mich prüfend an, als versuche sie etwas Kleingeschriebenes auf einem Ladenschild zu entziffern.
»Ich kann’s Ihnen nicht genau erklären, es ist nur so ein Gefühl«, sagte ich. »Wenn man über vieles miteinander sprechen kann, ist es das Beste, man teilt es sich ein. Das ist meine Meinung. Vielleicht liege ich ja falsch.«
Sie dachte kurz darüber nach, schien aber zu keinem Ergebnis zu kommen.
»Gute Nacht«, sagte sie und schloss leise die Wohnungstür.
»He, Moment«, rief ich. Die Tür ging einen fünfzehn Zentimeter Spalt breit auf, durch den sie herauslugte. »Kann ich bald wieder mal mit Ihnen ausgehen?«, fragte ich sie. Sie hielt die Tür fest und atmete tief ein. »Vielleicht«, erwiderte sie. Dann ging die Tür wieder zu.
Der Taxifahrer schmökerte in einer Sportzeitung, als ich zurückkam. Er schien überrascht, als ich ihm sagte, ich wolle zum Dolphin Hotel.
»Sie wollen echt zurück?«, fragte er grinsend. »So wie das aussah, dachte ich, Sie würden zahlen und mich wegschicken. So läuft das doch normalerweise.«
»Stimmt«, pflichtete ich ihm bei.
»Wenn man den Job schon so lange macht wie ich, dann kriegt man ein Gespür dafür.«
»Aber dann müssten Sie auch wissen, dass einen das Gespür manchmal im Stich lässt. Nach der Wahrscheinlichkeitstheorie.«
»Schon möglich«, sagte der Fahrer etwas verdutzt. »Na ja, Sie scheinen da wohl etwas abzuweichen.«
»Mag sein«, erwiderte ich. Bin ich denn wirklich so seltsam?
Zurück in meinem Zimmer, wusch ich mir das Gesicht. Beim Zähneputzen bereute ich meinen Entschluss schon fast, doch als ich gleich darauf zu Bett ging, schlief ich sofort ein. Meine Anfälle von Bedauern sind meistens schnell vorüber.
Sofort nach dem Aufwachen meldete ich mich bei der Rezeption und verlängerte meinen Aufenthalt um drei Tage. Das machte kein Problem, da das Hotel in der Nebensaison nicht voll ausgelastet war.
Als Nächstes besorgte ich mir eine Zeitung und ging nach draußen zum nächsten Dunkin’ Donuts, wo ich zwei Muffins natur aß und dazu zwei Becher Kaffee trank. Das Hotelfrühstück hängt einem bereits nach einem Tag zum Hals raus, aber Dunkin’ Donuts ist Spitze – billig, und man bekommt Kaffee kostenlos nachgeschenkt.
Dann nahm ich mir ein Taxi und bat den Fahrer, mich zu der größten Bibliothek von Sapporo zu bringen. Ich durchforstete die letzten Nummern des Magazins, in dem der Artikel über das Dolphin Hotel stehen sollte, und fand ihn in der Ausgabe vom 20. Oktober. Nachdem ich eine Kopie davon gemacht hatte, ging ich in ein nahe gelegenes Café, um ihn zu lesen.
Der Artikel war sehr verworren. Ich musste ihn mehrmals lesen, um die Zusammenhänge zu begreifen. Der Reporter hatte vermutlich sein Bestes getan, um eine plausible Story daraus zu machen, doch trotz seiner Bemühungen blieb das Ganze undurchsichtig. Es war einfach zu vertrackt. Selbst bei gründlicher Lektüre bekam man nur ein vages Bild. Der Artikel trug die Überschrift Skandalöser Grundstückserwerb in Sapporo – dunkle Machenschaften bei der Stadtsanierung . Daneben eine Luftaufnahme des fast fertig gestellten Hotels.
Die Geschichte lässt sich in etwa so zusammenfassen: Zunächst hatte man ein beträchtliches Gebiet in einem Stadtteil Sapporos erworben. Zwei Jahre lang herrschte unter der Hand ein ungewöhnlich reger Wechsel der registrierten Eigentümer. Bodenpreise schnellten ohne ersichtlichen Grund in die Höhe. Mit diesen spärlichen Informationen hatte der Reporter seine Nachforschungen begonnen. Dabei hatte er Folgendes herausbekommen: Die Grundstücke waren von unterschiedlichen Gesellschaften aufgekauft worden, bei denen es sich größtenteils um Briefkastenfirmen handelte. Sie waren zwar ordnungsgemäß im Handelsregister eingetragen und zahlten auch
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