Tanz mit dem Schafsmann
Finger gleiten zärtlich über ihren Rücken. Wie um eine verborgene Wasserader aufzuspüren.
Was ist denn los, Kiki? Ich bin in der Tat ziemlich konfus. Habe mein früheres Selbstvertrauen verloren. Die Liebe und ein gebrauchter Subaru sind zwei verschiedene Dinge. Ich bin eifersüchtig auf Gotandas feingliedrige Finger. Ob Yuki ihre Zigarette ordentlich ausgedrückt hat? Und hat sie den Gasofen richtig ausgemacht? Wie mein Vater . Genau. Mein Selbstvertrauen ist dahin. Bin ich am Verwesen, brabble ich im Elefantengrab der hochkapitalistischen Gesellschaft vor mich hin?
Besser alles auf morgen verschieben.
Ich putzte mir die Zähne, zog meinen Pyjama an und kippte den Rest Whiskey hinunter. Als ich ins Bett gehen wollte, klingelte das Telefon. Ich blieb mitten im Zimmer stehen und starrte einen Moment auf den Apparat, nahm dann aber ab.
»Ich habe eben den Ofen ausgemacht«, sagte Yuki. »Und die Zigarette richtig ausgedrückt. Ist es so in Ordnung? Bist du jetzt beruhigt?«
»Ja, das ist fein«, erwiderte ich.
»Gute Nacht«, sagte sie.
»Gute Nacht«, sagte ich.
»Sag mal …« Pause. »Im Hotel in Sapporo hast du doch sicher diesen Typen im Schafsfell gesehen, oder?«
Ich hielt den Hörer vor der Brust, als würde ich ein gesprungenes Straußenei wärmen, und ließ mich aufs Bett fallen.
»Du kannst mir nichts vormachen. Ich weiß genau, dass du ihn gesehen hast. Ich habe nur nichts gesagt, aber es war mir von Anfang an klar.«
»Du bist dem Schafsmann begegnet?«, fragte ich ungläubig.
»Hm«, machte sie ausweichend und schnalzte mit der Zunge. »Darüber sprechen wir mal in Ruhe, wenn wir uns das nächste Mal sehen. Jetzt bin ich zu erledigt.«
Womm. Hörer aufgeknallt.
Meine Schläfen hämmerten. Ich ging in die Küche und goß mir noch einen Whiskey ein. Ich bebte am ganzen Körper. Die Achterbahn begann wieder zu rappeln. Alles ist miteinander verbunden, hatte der Schafsmann gesagt.
Alles ist verbunden, hallte es in meinen Gedanken.
In der Tat entstanden nach und nach die merkwürdigsten Verbindungen.
17
Ich lehnte mich gegen die Spüle und trank noch einen Whiskey. Was sollte ich jetzt tun? Ich erwog, Yuki anzurufen, um sie zu fragen, woher sie den Schafsmann kannte. Doch ich war einfach zu kaputt. Es war ein langer Tag gewesen. Und sie hatte mich auf ›nächstes Mal‹ vertröstet und aufgelegt. Also musste ich mich gedulden. Außerdem, fiel mir ein, hatte ich ihre Telefonnummer ja gar nicht.
Ich legte mich ins Bett, schlief aber nicht ein, sondern starrte etwa eine Viertelstunde lang das Telefon an. Vielleicht rief Yuki ja noch mal an. Oder jemand anders. In solchen Momenten kommt einem das Telefon vor wie eine Zeitbombe. Niemand weiß, wann es klingeln wird. Es ist nur das Ticken einer Möglichkeit. Bei genauer Betrachtung entpuppt sich solch ein Telefonapparat als ein bizarres Gebilde. Äußerst bizarr sogar. Normalerweise beachtet man es nicht, aber wenn man das Telefon anstarrt, geht von seinem Gehäuse eine ungeheure Dringlichkeit aus. Entweder scheint es vor Mitteilungsdrang zu platzen oder aber es erweckt den Eindruck, es hadere damit, an diese Form gefesselt zu sein. Eine reine Idee in einem klobigen Körper – das Telefon.
Ich stellte mir das Fernmeldeamt vor. Dort laufen alle Verbindungen zusammen. Auch der Anschluss zu meiner Wohnung war irgendwo da draußen verknüpft. Theoretisch war ich mit allen möglichen Personen verbunden. Konnte sogar mit Anchorage telefonieren. Oder mit meiner Exfrau oder mit dem Dolphin Hotel. Es gab unzählige Möglichkeiten. Der Knotenpunkt befand sich im Fernmeldeamt. Eine von Computern gesteuerte Schaltzentrale. Die Verbindungen werden digitalisiert und transformiert, bis Kommunikation daraus entsteht. Übermittelt via Leitungen, unterirdische Kabel, Tiefseetunnel und Kommunikationssatelliten, bis wir miteinander verbunden sind. Ein gigantisches computergesteuertes Netzwerk. Doch wie elaboriert und präzise diese Technik auch sein mag, solange wir nicht gewillt sind zu sprechen, kann sich nichts verbinden. Andernfalls kann es einem wie mir jetzt passieren, dass man die Telefonnummer nicht weiß (beziehungsweise vergessen hat zu erfragen) und deshalb keine Verbindung stattfindet. Oder man hat sich zwar nach der Nummer erkundigt, sie dann aber wieder vergessen oder die Notiz verloren. Und selbst wenn man im Besitz der Nummer ist, besteht die Möglichkeit, dass man sich verwählt. Dann gibt es keinen Anschluss. Wir sind eben eine extrem
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