Tanz mit dem Schafsmann
nicht weiter über ihn. Yuki schien es nicht zu wollen, und ich hatte auch keine Lust dazu.
Wir schwiegen eine Weile und hörten einfach nur Musik. Am Steuer sitzend, starrte ich auf die Rückleuchten des blauen BMW vor uns. Yuki hämmerte mit ihren Stiefelspitzen den Rhythmus von Solomon Burke und betrachtete die vorbeiziehende Stadtkulisse.
»Dein Auto ist klasse«, bemerkte sie ein wenig später. »Welche Marke ist das?«
»Ein Subaru«, erwiderte ich. »Ein älteres Modell, gebraucht. Ich kenne kaum jemanden, der mir für den Wagen Komplimente macht.«
»Ich verstehe zwar nichts davon, aber irgendwie fühlt man sich hier drinnen wohl.«
»Vielleicht liegt es daran, dass ich dem Wagen Zuneigung und Zärtlichkeit entgegenbringe.«
»Du meinst, deshalb fühlt man sich darin wohl?«
»Ein harmonischer Gleichklang«, sagte ich.
»Leuchtet mir nicht so ganz ein.«
»Wir unterstützen uns gegenseitig, ich und der Subaru, um es einfach auszudrücken. Das heißt, ich befinde mich darin und hege positive Gefühle für ihn. Dadurch entsteht eine angenehme Atmosphäre, die auch der Wagen spürt. Ich fühle mich wohl und der Subaru ebenfalls.«
»Eine Maschine kann sich wohl fühlen?«
»Aber ja doch«, entgegnete ich. »Frag mich nicht, warum. Aber es ist so. Sie kann übrigens auch gereizt sein. Eine logische Erklärung dafür habe ich nicht parat. Ich weiß es nur aus Erfahrung.«
»Du meinst, Maschinen können genauso geliebt werden wie Menschen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, nicht wie Menschen. Maschinen gegenüber bleibt das Gefühl konstant. Bei Menschen empfindet man anders. Man passt sich dem Gegenüber emotional immer ein Stück weit an. Die Gefühle schwanken, zaudern, verharren, schwellen an und verebben, werden abgewiesen und verletzt. Sie lassen sich zumeist nicht bewusst steuern. Bei meinem Subaru ist das anders.«
Sie dachte einen Moment darüber nach. »Deine Frau hat dich wohl nicht so gut verstanden, was?«, fragte sie.
»Ich glaubte immer, wir verstünden uns gut«, erwiderte ich. »Aber sie hatte da wohl eine andere Auffassung. Eben Meinungsverschiedenheiten. Deshalb ist sie ja auch fortgegangen. Vermutlich war es einfacher für sie, sich mit einem anderen Mann einzulassen, als diese Meinungsverschiedenheiten aus dem Weg zu räumen.«
»Es klappte also nicht so gut wie mit deinem Subaru?«
»Du sagst es«, antwortete ich. Oh Mann, worüber unterhalte ich mich da mit einem Teenager.
»Und was hältst du von mir?«, fragte sie plötzlich.
»Ich kenne dich doch kaum«, sagte ich.
Ich spürte wieder ihren durchdringenden Blick auf meiner Wange. Als würde er dort ein Loch einbrennen. Ein sengender Blick. Ich gab mich geschlagen.
»Du bist wahrscheinlich von allen Frauen, mit denen ich bisher ausgegangen bin, die hübscheste«, sagte ich mit starrem Blick auf die Straße. »Nein, nicht nur wahrscheinlich, sondern du bist ganz sicher die hübscheste. Wenn ich fünfzehn wäre, würde ich mich in dich verlieben. Aber ich bin bereits vierunddreißig, und da verliebt man sich nicht mehr so leicht. Ich möchte nicht noch unglücklicher werden. Da vergnüge ich mich lieber mit meinem Subaru. Reicht dir das?«
Jetzt blickte mich Yuki eher ausdruckslos an. »Du bist vielleicht komisch« war alles, was ihr dazu einfiel. Nach ihrer Bemerkung fühlte ich mich wie eine Niete. Wahrscheinlich meinte sie es gar nicht so, aber es knallte ziemlich rein.
Um viertel nach elf waren wir wieder in Akasaka.
»Also?« sagte ich.
Yuki erklärte mir diesmal genau, wo die Wohnung lag. Es war ein Klinkerhaus in einer ruhigen Nebenstraße nahe des Nogi-Schreins. Klein, aber fein. Ich hielt direkt davor und stellte den Motor ab.
»Wie machen wir das mit dem Geld?«, fragte sie leise auf dem Beifahrersitz. »Der Flug, das Essen und all das …«
»Das Geld für den Flug soll mir deine Mutter zurückerstatten, wenn sie wieder da ist. Und das Übrige geht auf meine Kappe. Mach dir keine Gedanken. Rendezvous mit getrennter Kasse gibt’s bei mir nicht. Also nur das Flugticket.« Yuki zuckte mit den Achseln und sagte nichts, stieg aus und spuckte dann ihren Kaugummi in einen der herumstehenden Pflanzenkübel.
Dankeschön – Gern geschehen, sagte ich zu mir selbst. Dann fischte ich eine Visitenkarte aus meinem Portemonnaie und gab sie ihr. »Für deine Mutter, wenn sie wieder da ist. Oder falls du Probleme hast, kannst du mich unter der Nummer erreichen. Ruf mich an, falls ich dir irgendwie behilflich sein
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