Tanz mit dem Schafsmann
spielt jemand mit, den ich kenne«, sagte ich. »Außer dir, meine ich.«
Gotanda tippte sich an die Schläfe und blinzelte. »Wer?«
»Ihren Namen kenne ich nicht. Die Frau, mit der du am Sonntagmorgen im Bett liegst.«
Er nahm einen Schluck Whiskey. »Oh, ja«, sagte er. »Kiki.«
»Kiki«, wiederholte ich. Bizarrer Name. Klang nach einer ganz anderen Person.
»So heißt sie. Zumindest kennt sie jeder nur unter diesem Namen. In unserer sonderbaren kleinen Welt ist sie als Kiki bekannt. Das genügt.«
»Kannst du zu ihr Verbindung aufnehmen?«
»Ich fürchte, nein.«
»Wieso nicht?«
»Ich fange mal von vorne an. Erstens: Kiki ist keine professionelle Schauspielerin. Das macht die Sache etwas kompliziert. Jeder Schauspieler, egal ob berühmt oder nicht, gehört einer Produktionsfima an. Der Kontakt wird über Agenten hergestellt. Die meisten von uns sitzen also neben dem Telefon und warten auf den entscheidenden Anruf. Bei Kiki ist das anders. Sie ist an keine Produktionsfirma gebunden. Sie hatte nur in diesem Film einen kleinen Auftritt. Ein reiner Gelegenheitsjob.«
»Wie hat sie die Rolle dann bekommen?«
»Ich habe sie empfohlen«, sagte er ohne Umschweife. »Ich habe sie gefragt, ob sie in dem Film mitspielen wolle, und sie dann dem Regisseur vorgestellt.«
»Wieso?«
Er nahm einen Schluck Whiskey und verzog leicht den Mund. »Das Mädchen hat irgendwie Talent. Wie soll ich sagen … sie ist präsent. Sie hat das gewisse Etwas. Man spürt es. Eine Superschönheit ist sie nicht gerade und auch nicht die geborene Schauspielerin. Aber allein ihre Anwesenheit erzeugt eine gewisse Spannung auf der Leinwand. Das ist eine Gabe. Also sorgte ich dafür, dass sie mitspielen konnte. Sie hat es toll gemacht. Alle waren von Kiki hingerissen. Ich will ja nicht prahlen, aber die Szene mit ihr war einfach gelungen. Es war authentisch. Fandest du nicht?«
»Doch, doch«, musste ich ihm beipflichten. »Sehr authentisch. Kann man wohl sagen.«
»Ich dachte, das Mädchen müsste man zum Film bringen. Sie besitzt das nötige Talent. Aber es hat nicht geklappt. Sie hat sich aus dem Staub gemacht. Das ist der nächste Punkt. Sie ist einfach verschwunden. Hat sich in Luft aufgelöst. Wie Morgentau.«
»Verschwunden?«
»Ja, buchstäblich. Ungefähr vor einem Monat. Ich habe jeden davon überzeugt, dass sie die ideale Besetzung für diese neue Rolle wäre, und alles war geregelt. Sie sollte einfach nur zum Vorsprechen kommen. Ich habe sie sogar noch einen Tag vorher angerufen, um sie an den Termin zu erinnern. Sie solle sich keinesfalls verspäten, hatte ich ihr gesagt. Aber sie ließ sich nicht blicken. Das war’s dann. Ich habe sie seitdem nicht wiedergesehen.«
Er gab dem Kellner ein Zeichen, er möge noch zwei weitere Whiskey-Soda bringen.
»Es geht mich zwar nichts an«, sagte Gotanda, »aber hast du jemals mit Kiki geschlafen?«
Ich bejahte.
»Angenommen, ich hätte mit ihr was gehabt, würde es dich stören?«
»Keineswegs«, erwiderte ich.
»Ein Glück«, rief Gotanda erleichtert. »Ich bin nämlich ein miserabler Lügner. Deshalb will ich es lieber gleich gestehen. Ich habe ein paarmal mit ihr geschlafen. Sie war klasse. Ein bisschen überdreht vielleicht, aber irgendwie faszinierend. Sie gäbe eine gute Schauspielerin ab und würde es bestimmt weit bringen. Ein Jammer.«
»Und du kannst sie nicht erreichen? Weißt du denn nicht, wie sie richtig heißt?«
»Null. Es gibt überhaupt keinen Anhaltspunkt. Keiner weiß etwas über sie. Nur, dass sie Kiki heißt.«
»Hat die Buchhaltung der Produktionsgesellschaft denn keine Honorarbelege?«, erkundigte ich mich. »Sie brauchen doch Namen und Adresse von ihr. Für die Lohnsteuer.«
»Das habe ich natürlich alles gecheckt, was denkst du denn. Aber ohne Erfolg. Sie hat auf die Gage gepfiffen. Kein Geld angenommen, also gibt’s auch keine Belege. Absolut null.«
»Sie hat die Gage nicht angenommen?«
»Frag mich nicht wieso«, sagte Gotanda bei seinem dritten Drink. »Diese Frau ist ein Rätsel. Vielleicht wollte sie inkognito bleiben. Wer weiß? Na ja, wie auch immer, wir beide haben jedenfalls drei Dinge gemeinsam: Erstens, den gleichen Labortisch in der Schulzeit. Zweitens, die Scheidungen. Und drittens, wir haben beide mit Kiki geschlafen.«
Bald darauf kam das Essen. Prachtvolle Steaks. Perfekt medium, wie gemalt. Gotanda aß mit sichtlicher Wonne. Seine Tischmanieren waren ziemlich lässig, um nicht zu sagen, nachlässig. Knigge hätte sich im
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