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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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dem Schafsfell erwähnt. Bist du ihm tatsächlich begegnet? Kannst du mir mehr darüber erzählen? Es ist sehr wichtig für mich.«
    »Ein anderes Mal«, sagte sie und legte abrupt auf. Verdattert starrte ich auf den Hörer in meiner Hand.
    Während ich auf dem Sellerie herumkaute, überlegte ich, was ich zum Abendessen kochen könnte. Spaghetti.
    Zuerst zwei Knoblauchzehen grob hacken und in Olivenöl anbraten. Die Pfanne ankippen, damit sich das Öl sammelt, und auf kleiner Flamme weiterdünsten. Rote Chilies hinzugeben und zusammen mit dem Knoblauch anbraten, jedoch rechtzeitig herausnehmen, damit sie nicht so bitter werden. (Gar nicht so einfach, den genauen Zeitpunkt abzupassen). Dünne Schinkenscheiben in Streifen schneiden und knusprig braten. Zum Schluss alles auf die al dente gekochten Spaghetti geben und mit frisch gehackter Petersilie bestreuen. Mit leichtem Mozzarella-Tomaten-Salat servieren. Nicht übel.
    Das Wasser für die Spaghetti war gerade am Kochen, als das Telefon erneut klingelte. Ich schaltete das Gas aus und nahm den Hörer ab.
    »Hallo, wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht gesehen«, sagte Gotanda. »Wie viel Jahre mag das her sein? Wie geht’s dir?«
    »Ganz gut«, erwiderte ich.
    »Also, was ist los? Mein Manager sagte mir, du wolltest etwas Dringendes mit mir besprechen. Ich hoffe, wir müssen nicht wieder einen Frosch sezieren«, sagte er lachend.
    »Um Himmels willen, nein. Ich wollte dich nur etwas fragen. Ich weiß, du hast viel um die Ohren, tut mir leid. Es klingt vielleicht ein bisschen verrückt, aber …«
    »Hör mal, bist du gerade beschäftigt?«, unterbrach mich Gotanda.
    »Nein. Ich habe nichts Besonderes vor. Bin gerade dabei, mir ein Abendessen zuzubereiten.« »Das trifft sich ja ausgezeichnet. Wie wäre es mit einem Dinner auswärts? Ich wollte gerade jemanden suchen, der mir Gesellschaft dabei leistet. Du weißt doch, wie langweilig es ist, allein zu essen.«
    »Bist du sicher? Ich habe dich so mir nichts dir nichts am Telefon überfallen, also …«
    »Kein Problem. Wir werden alle hin und wieder hungrig, ob wir wollen oder nicht, und dann muss man eben essen. Ich zwinge mich jetzt nicht dir zuliebe dazu. Ist doch viel netter, irgendwo bei Speis und Trank über alte Zeiten zu plaudern. Ich habe seit ewigen Zeiten keinen alten Bekannten mehr getroffen. Ich würde dich wirklich gern wiedersehen, wenn es dir recht ist. Bin ich zu aufdringlich?«
    »Im Gegenteil. Ich bin doch derjenige, der dich sprechen will.«
    »Nun, dann komme ich vorbei und hole dich ab. Wo wohnst du denn?«
    Ich nannte ihm die Adresse und beschrieb die Lage meines Apartments.
    »Das ist gar nicht so weit weg von hier. Vielleicht zwanzig Minuten. Also mach dich fertig. Ich sterbe nämlich vor Hunger und kann nicht länger warten.«
    Okay, sagte ich und legte auf. Alte Zeiten? Ich schüttelte den Kopf
    Über welche alten Geschichten wollte Gotanda denn mit mir plaudern? Wir waren nie eng befreundet gewesen und hatten damals kaum miteinander geredet. Gotanda war der glamouröse Star der Klasse, und ich war eine graue Maus. Es war schon allerhand, dass er sich überhaupt an mich erinnern konnte. Über welche alten Zeiten sollten wir denn plaudern? Na egal. Immerhin behandelte er mich nicht kaltschnäuzig.
    Ich rasierte mich rasch und kramte meine schicksten Klamotten aus dem Schrank: ein orange gestreiftes Hemd, ein Tweedjackett von Calvin Klein, eine Armani-Strickkrawatte (Geburtstagsgeschenk einer Exfreundin), frisch gewaschene Bluejeans und meine nagelneuen Yamaha-Tennisschuhe. Das war die Quintessenz meiner Garderobe. Hoffentlich hatte er einen Blick für meinen schicken Aufzug. Ich war noch nie mit einem Filmstar essen gegangen. Keine Ahnung, was für ein Outfit da von einem verlangt wurde.
    Pünktlich auf die Minute klingelte es an meiner Tür. Es war sein Chauffeur, der mir höflich mitteilte, Gotanda warte unten. Bestimmt ein Mercedes, vermutete ich wegen des Fahrers, und ich behielt Recht. Ein Luxusschlitten in Silbergrau, groß wie ein Motorboot. Dunkel getönte Scheiben. Mit einem wohlklingenden Schnappen öffnete der Chauffeur den Schlag, und schon saß ich drinnen. Neben Gotanda.
    »Mann, lange nicht gesehen, was?«, rief er mit einem breiten Lächeln. Zum Glück schüttelte er mir nicht die Hand.
    »In der Tat«, erwiderte ich.
    Er trug eine dunkelblaue Windjacke über einem schlichten Pullover mit V-Ausschnitt und eine abgewetzte, beigefarbene Kordhose. Verblichene Asics-Joggingschuhe.

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