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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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die getönten Scheiben nach draußen. »Und das Schlimmste daran war, dass alles geplant war. Bis ins letzte Detail. Perfekt kalkuliert. Es war regelrechter Betrug. Sie hatten ohne mein Wissen alles Mögliche auf ihren Namen umschreiben lassen. Ein Bravourstück. Ich hatte nicht den leisesten Schimmer, bin ihnen voll auf den Leim gegangen. Habe alles ihrem Steuerberater gegeben – meinen offiziellen Stempel, meine Dokumente, Aktien, Sparbücher, einfach alles. In dem Glauben, sie bräuchten es für die Steuern, habe ich ihnen meinen ganzen Kram vertrauensselig überlasen. Zugegeben, mir fehlt jeglicher Sinn für diesen Kleinkram. Das lasse ich lieber andere für mich erledigen. Aber der Typ steckte mit ihrer Sippe unter einer Decke. Und ehe ich mich’s versah, hatten sie mich abgezockt. Bis auf die Knochen. Und dann haben sie mich vor die Tür gesetzt, wie einen lästigen Köter. Eine wahre Lektion, kann ich dir sagen.« Er lächelte wieder. »Bin dadurch ein bisschen erwachsener geworden.«
    »Wir sind ja auch bereits vierunddreißig. Da ist man ohnehin erwachsen, ob man will oder nicht.«
    »Da hast du Recht. Aber das menschliche Dasein ist schon ein Rätsel. Mit einem Mal ist man alt. Ich habe immer geglaubt, man wird allmählich älter, Jahr für Jahr«, sagte er und sah mich aufmerksam an. »Aber das stimmt nicht. Es passiert mit einem Schlag.«
    Das Steak-Restaurant lag in einem abgelegenen Winkel in Roppongi. Es sah nach einem äußerst noblen Schuppen aus. Als der Mercedes vorfuhr, stürzten gleich Geschäftsführer und Kellner heraus, um uns zu begrüßen. Gotanda sagte dem Chauffeur, er möge uns in einer Stunde abholen. Die Limousine verschwand folgsam und lautlos wie ein Riesenfisch in der Dunkelheit. Wir wurden nach hinten in ein Separee geführt. In dem Laden saßen nur modisch gekleidete Leute, aber Gotanda in seinen Kordhosen und Joggingschuhen wirkte am schicksten. Er fällt eben auf. Sobald wir den Raum betraten, reckten sämtliche Gäste die Köpfe und schauten sich nach ihm um. Etwa zwei Sekunden dauerten die Blicke, nicht länger, denn das hätte wahrscheinlich gegen die Etikette verstoßen. Komplizierte Welt.
    Wir nahmen Platz und bestellten zunächst zwei Whiskey-Soda. »Auf unsere Exfrauen«, prostete Gotanda mir zu.
    »Es mag vielleicht blöd klingen«, sagte er dann, »aber ich liebe sie immer noch. Obwohl sie mir so übel mitgespielt hat. Sie geht mir nicht aus dem Sinn. Sie geht mir einfach nicht aus dem Sinn. Andere Frauen reizen mich überhaupt nicht.«
    Ich nickte und starrte auf die äußerst eleganten Eiswürfel in meinem Glas.
    »Und wie ist es bei dir?«
    »Du meinst, was ich für meine Exfrau empfinde? Ich weiß nicht so recht. Ich wollte nicht, dass sie geht«, gab ich zu. »Aber nun ist sie fort. Wer letztlich Schuld hatte, weiß ich auch nicht. Spielt auch keine Rolle mehr. Ich habe lange gebraucht, bis ich mich an die Tatsache gewöhnt hatte. Eine andere Möglichkeit kam mir nicht in den Sinn. Mehr kann ich dir nicht sagen.«
    »Habe ich etwa einen wunden Punkt getroffen?«, fragte er.
    »Überhaupt nicht«, entgegnete ich. »Das ist nun mal Tatsache, davor kann man nicht flüchten. Es tut nicht weh. Eher ein undefinierbares Gefühl.«
    Er schnippte mit den Fingern. »Genau, das ist es, ein undefinierbares Gefühl. Das trifft den Nagel auf den Kopf. Ein Gefühl, als hätte die Schwerkraft sich verändert. Es ist nicht einmal schmerzhaft.«
    Der Ober kam, und wir bestellten Steak und Salat. Beide medium. Und noch eine Runde Whiskey-Soda.
    »Also«, sagte Gotanda, »du hast etwas auf dem Herzen? Lass uns jetzt darüber sprechen, bevor wir zu betrunken sind.«
    »Es ist eine ziemlich seltsame Geschichte«, begann ich.
    Er warf mir ein freundliches Lächeln zu. Ein wenig routiniert vielleicht, aber nicht unsympathisch.
    »Ich mag seltsame Geschichten«, ermunterte er mich.
    »Ich habe neulich einen Film mit dir gesehen.«
    »Etwa Unerwiderte Liebe ?« fragte er, das Gesicht zu einer Grimasse verzogen, mit gesenkter Stimme. »Ein grauenvoller Film. Grauenvoller Regisseur. Grauenvolles Drehbuch. Es ist immer die gleiche Chose – alle Beteiligten wollen die Angelegenheit am liebsten so schnell wie möglich vergessen.«
    »Ich habe ihn viermal gesehen«, gestand ich.
    Er starrte mich entgeistert an. »Ich gehe mit dir jede Wette ein, dass es auf der ganzen Welt keinen Menschen gibt, der sich diesen Streifen viermal angucken würde. Nicht mal in unserer gesamten Galaxie.«
    »Es

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