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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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nicht. Wie gesagt, es war nur so ein vages Gefühl. Ich kann es nicht genau beschreiben. Aber egal, ich hatte jedenfalls nie Lust, mit ihr alleine zu schlafen. Obwohl sie mich ehrlich viel mehr fasziniert hat. Verstehst du, was ich meine?«
    »Ich denke schon«.
    »Um es kurz zu machen, ich glaube, wenn ich mit Kiki allein geschlafen hätte, wäre das nicht so entspannend für mich gewesen. Ich wäre vermutlich eine viel tiefere Beziehung zu ihr eingegangen. Frag mich nicht, warum. Aber darauf war ich nicht aus. Ich wollte einfach nur Sex haben, um zu relaxen. Darum habe ich es nie allein mit ihr gemacht. Obwohl ich Kiki wirklich mochte.«
    Ein Weilchen aßen wir schweigend.
    »Als Kiki an dem Tag nicht zum Vorsprechen erschien, habe ich in ihrem Club angerufen«, erinnerte sich Gotanda dann. »Ich habe nach ihr gefragt, aber sie war nicht da. Sie sagten, sie sei verschwunden. Ganz plötzlich. Vielleicht haben sie das ja auch nur vorgegeben, wer weiß? Ich habe es nicht weiter überprüft. Jedenfalls hatte sie sich für mich in Luft aufgelöst.«
    Der Kellner räumte ab und fragte, ob wir Kaffee wollten.
    »Nein, ich hätte gern noch einen Drink«, sagte Gotanda. »Und du?«
    »Ich schließe mich an«, sagte ich.
    Daraufhin kam die vierte Runde Whiskey-Soda.
    »Was, meinst du, habe ich heute tagsüber gemacht?«, fragte mich Gotanda.
    »Keine Ahnung«, sagte ich.
    »Ich habe einem Zahnarzt assistiert, den ganzen Tag, zur Vorbereitung auf meine jetzige Rolle. Ich spiele nämlich einen Zahnarzt in einer neuen TV-Serie. Ryoko Nakano spielt eine Augenärztin, und meine Praxis befindet sich in ihrer Nachbarschaft. Wir kennen uns seit der Kindheit, aber irgendetwas bringt uns immer wieder auseinander. So in etwa die Handlung. Na ja, die übliche Story. Wie man sie aus TV-Serien kennt. Hast du mal eine gesehen?«
    »Nein«, erwiderte ich. »Ich gucke nur Nachrichten, und auch das nur zwei Mal die Woche.«
    »Sehr klug von dir«, sagte Gotanda mit einem Nicken. »Es läuft ja sowieso nur Quatsch. Wenn ich nicht selbst mitspielen würde, würde ich auch darauf verzichten. Aber die Serie ist außerordentlich beliebt. Hohe Einschaltquoten. Die Masse steht auf triviale Geschichten. Du ahnst nicht, wie viel Zuschriften ich jede Woche bekomme. Zahnärzte aus ganz Japan schreiben mir und mäkeln pingelig herum, dass sie und die Prozedur nicht richtig dargestellt oder die und die Behandlungsmethode falsch sei. Spulen sich glatt darüber auf, dass ihnen solche unseriösen Sendungen geboten werden. Dann sollen sie doch was anderes gucken, oder?«
    »Es zwingt sie ja keiner.«
    »Das Komische ist, dass sie mir immer diese Arzt- oder Lehrerrollen aufhalsen. Ich kann schon gar nicht mehr zählen, wie oft ich einen Arzt gespielt habe. Das Einzige, was noch in der Sammlung fehlt, ist ein Darmspezialist. Ist vermutlich nicht besonders telegen. Einen Tierarzt habe ich gespielt. Einen Gynäkologen. Pauker für sämtliche Schulfächer. Du wirst es nicht glauben, ich habe sogar schon einen Hauswirtschaftslehrer gemimt. Woran liegt das wohl?«
    »Nun, vermutlich wirkst du vertrauenerweckend.«
    Gotanda nickte. »Vermutlich. Das wird es sein. Einmal habe ich einen abgedrehten Gebrauchtwagenhändler gespielt, einen geschwätzigen Typen mit einem Glasauge. Die Rolle hat mir Spaß gemacht. Es war eine Herausforderung. Und ich denke, ich habe meine Sache gut gemacht. Aber keine Chance. Es kamen haufenweise Protestschreiben. Alle bedauerten mich, weil ich eine so fiese Rolle spielen müsste. Einige drohten sogar damit, den Sponsor dieser Sendung zu boykottieren. Wer war eigentlich der Sponsor? Lion-Zahnpasta, glaube ich. Oder war es Sunstar? Schon vergessen. Jedenfalls wurde meine Rolle mittendrin gestrichen. Ausgemerzt. Eine ziemlich bedeutende Rolle, der natürlichen Auslese zum Opfer gefallen. Es war ein so interessanter Part. Welch ein Jammer … Seitdem spiele ich immer nur Lehrer und Ärzte, Ärzte und Lehrer.«
    »Ein kompliziertes Leben.«
    »Oder ein sehr einfältiges, wenn man so will«, sagte er lachend. »Egal, heute habe ich jedenfalls den Tag als Zahnarzthelfer verbracht und Behandlungstechniken studiert. Ich habe mich ziemlich gut angestellt, nachdem ich nun schon einige Male da gewesen bin. Sogar der Zahnarzt hat mich gelobt. Ich könnte einfache Behandlungen glatt schon selbst durchführen. Ich trage einen Mundschutz, mich würde also niemand erkennen. Alle Patienten entspannen sich nämlich immer, wenn ich mit ihnen rede.«
    »Ich

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