Tanz mit dem Schafsmann
Band, ich habe nicht abgenommen. Später habe ich ihn abgehört. Rein geschäftlich.«
»Wieso schalten Sie Ihren Anrufbeantworter ein, obwohl Sie zu Hause sind?«, fragte Fischer.
»Ich habe Urlaub. Da will ich nicht über berufliche Dinge reden.«
Sie erkundigten sich nach dem Namen und der Telefonnummer des Anrufers, und ich gab beides an.
»Sie haben also erst allein zu Abend gegessen und dann die ganze Zeit gelesen, richtig?«, fragte Fischer.
»Davor habe ich noch abgewaschen«, fügte ich hinzu.
»Was haben Sie denn gelesen?«
»Sie werden es kaum glauben, Kafkas Prozess .«
Fischer notierte sich Autor und Titel, wusste aber nicht genau, wie man das schrieb. Schöngeist musste es ihm buchstabieren. Wie erwartet, kannte er Kafkas Prozess.
»Bis kurz vor zwölf haben Sie gesagt«, wiederholte Fischer. »Und Sie haben getrunken?«
»Ja, abends. Zuerst Bier und dann Brandy.«
»Wie viel haben Sie getrunken?«
»Zwei Dosen Bier und etwa eine viertel Flasche Brandy. Ach ja, und Dosenpfirsiche habe ich auch noch gegessen.«
Fischer notierte alles: Aß auch Dosenpfirsiche. »Fällt Ihnen sonst noch was ein? Auch wenn es nur nebensächliche Details sind.«
Ich dachte kurz nach, konnte mich aber an nichts Weiteres erinnern. Es war ein Abend ohne besondere Vorkommnisse. Ich hatte ganz friedlich ein Buch gelesen, während in dieser für mich ruhigen, unbedeutenden Nacht May mit einem Strumpf stranguliert wurde. Ich sagte ihnen, mehr falle mir nicht ein.
Schöngeist räusperte sich und sagte: »Sie sollten jetzt mal ernsthaft Ihren Grips anstrengen. Sie befinden sich nämlich in einer ziemlich heiklen Position.«
»Wieso heikel? Ich habe nichts getan«, entgegnete ich. »Ich arbeite als freier Journalist, da lasse ich überall meine Visitenkarten liegen. Keine Ahnung, wie dieses Mädchen daran gekommen ist. Nur weil sie meine Karte dabeihatte, heißt das doch noch lange nicht, dass ich sie umgebracht habe.«
»Wenn Ihre Visitenkarte so bedeutungslos ist, wieso hatte sie dann nur diese eine bei sich?«, warf Fischer ein. »Dafür gibt es zwei Hypothesen. Die erste lautet: Die Dame hatte im Hotel ein Stelldichein mit jemandem aus Ihrer Branche, der sie dann umgebracht hat. Danach hat der Kerl sämtliche Dinge, die den Verdacht auf ihn lenken könnten, aus ihrer Handtasche entfernt. Nur die im Portemonnaie versteckte Visitenkarte hat er dabei übersehen. Die zweite Erklärung: Die Lady ist eine Professionelle. Eine Nutte. Und zwar eine Edelnutte, die nur in Luxushotels ihrem Gewerbe nachgeht. Eine von der Sorte, die nichts bei sich haben, was ihre Identität verraten könnte. Und dann hat ein Kunde sie ermordet, aus irgendeinem Grund. Vermutlich ein Psychopath, denn Geld wurde nicht entwendet. Das sind unsere beiden Theorien. Was halten Sie davon?«
Ich neigte den Kopf leicht zur Seite, sagte aber nichts.
»Ihre Visitenkarte ist jedenfalls das Hauptindiz. Es ist zur Zeit unser einziger Anhaltspunkt«, sagte Fischer bedeutsam und klopfte mit der Kulispitze auf die Tischplatte.
»Eine Visitenkarte ist doch nur ein Stück Papier mit einem gedruckten Namen und kein Indiz«, sagte ich. »Das beweist absolut gar nichts.«
»Im Moment noch nicht«, entgegnete Fischer, immer noch klopfend. »Das allein beweist natürlich noch nichts. Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Die Jungs von der Spurensicherung sind dabei, das Zimmer zu durchsuchen. Eine Obduktion wird ebenfalls durchgeführt. Morgen werden wir mehr wissen. Vor allem, welche Verbindungen im Spiel sind. Bis dahin müssen wir uns gedulden. Inzwischen sollten Sie auch noch ein bisschen Ihr Gedächtnis bemühen, und wenn wir die ganze Nacht hier zubringen müssen. Denken Sie gründlich nach. Nehmen Sie sich Zeit, dann kommt vielleicht noch einiges an die Oberfläche. Fangen wir ruhig noch mal ganz von vorne an. Was haben Sie gestern den ganzen Tag über gemacht? Von morgens an, jede Einzelheit, bitte.«
Ich schaute zur Wand. Die Uhr zeigte teilnahmslos zehn nach fünf. Plötzlich fiel mir meine Verabredung mit Yuki ein.
»Ich müsste unbedingt mal telefonieren, geht das?«, fragte ich Fischer. »Ich bin um fünf mit jemandem verabredet. Eine wichtige Verabredung. Ich muss unbedingt Bescheid sagen.«
»Ein Mädchen?«, erkundigte sich Fischer.
»Ja«, antwortete ich.
Er nickte und wies auf das Telefon. Ich holte mein Notizbuch hervor und wählte Yukis Nummer. Nach dem dritten Klingeln nahm sie ab.
»Du willst mir sicher sagen, dass etwas Unvorhergesehenes
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