Tanz mit dem Schafsmann
ließ seinen Blick an der Wand hochgleiten. »Der hat ja Humor«, schnaubte er. » Vermutlich, sagt er.«
Fischer rieb sich seine quer über die Nase verlaufende Narbe. Sie stammte wahrscheinlich von einer Messerstecherei und war ziemlich tief, so verzogen, wie das Fleisch rundherum aussah.
»Jetzt hören Sie mir mal gut zu«, sagte er. »Wir haben noch mehr zu tun, und das hier ist eine ernste Angelegenheit. Wir wollen das jetzt ganz schnell hinter uns bringen. Uns macht es auch keinen Spaß. Wir möchten um sechs nach Hause und mit unseren Familien gemütlich zu Abend essen. Wir haben nichts gegen Sie. Sie sollen uns nur sagen, was sie gestern Nacht gemacht haben, sonst nichts. Wenn Sie eine reine Weste haben, können Sie uns doch getrost alles erzählen. Oder haben Sie etwas zu verbergen?«
Ich starrte auf den gläsernen Aschenbecher vor mir.
Schöngeist klappte sein Notizbuch zu und steckte es in die Tasche. Dreißig Sekunden lang sagte niemand etwas.
Fischer steckte sich indessen eine Seven Star in den Mund und zündete sie an.
»Zähes Bürschchen«, sagte er.
»Will er etwa das Menschenrechtskomitee einschalten?« fragte Schöngeist.
»Ich bitte dich«, wandte Fischer ein. »Das ist doch kein Fall für Menschenrechte. Das gehört zu den Pflichten eines Bürgers. Der hat nämlich bei polizeilichen Ermittlungen weitestgehend zu kooperieren. Das steht auch im Gesetzbuch, auf das Sie sich doch so gerne beziehen. Wieso haben Sie eigentlich eine solche Abneigung gegen uns Polizisten? Wir sind doch immer gut genug, wenn es darum geht, sich nach dem Weg zu erkundigen oder uns zu Hilfe zu rufen, wenn jemand einbricht. Also, unterstützen wir uns doch gegenseitig. Hier geht es nur um eine Bagatelle, wieso sind Sie so widerspenstig? Es handelt sich doch wirklich bloß um eine ganz formelle, simple Frage. Was haben Sie gestern Nacht gemacht? Ist doch nicht so kompliziert, oder? Also lassen Sie uns das hinter uns bringen. Dann können wir nämlich zum nächsten Fall übergehen. Sie wollen doch sicher auch nach Hause. Und alles ist wieder paletti. Was meinen Sie?«
»Ich möchte erst wissen, um was es geht«, beharrte ich.
Schöngeist kramte ein Taschentuch hervor und schnaubte sich laut die Nase. Fischer holte ein Plastiklineal aus der Schublade und schlug es gegen seine Handfläche.
»Hören Sie«, sagte Schöngeist und warf sein vollgerotztes Taschentuch in den Papierkorb. »Begreifen Sie denn nicht, dass Ihre Lage langsam bedenklich wird?«
»Wir haben nicht 1970. Sie können es sich nicht leisten, hier einen auf Systemgegner zu machen«, sagte Fischer, sichtlich genervt. »Die Zeiten sind vorbei. Wir alle, Sie und ich, sind fest in die Gesellschaft eingebunden. Es gibt weder Macht noch Gegenmacht. Das ist passé. Wir leben in einer großen Gemeinschaft. Es hat keinen Zweck, die öffentliche Ruhe zu stören. Das System ist felsenfest etabliert. Und wem das nicht behagt, der halte still und warte das große Erdbeben ab. Man kann sich auch ein Loch graben. Aber sich hier aufzuspielen bringt gar nichts, keinem von uns. Die reinste Verschwendung. Jemand mit Köpfchen wie Sie sollte das eigentlich kapieren.«
»Na ja, wir sind ein wenig überarbeitet. Tut mir leid, falls wir uns im Ton vergriffen haben sollten. Ich möchte mich dafür entschuldigen«, schaltete sich Schöngeist ein, wobei er erneut in seinem Notizbuch blätterte. »Aber wie gesagt, wir sind ein bisschen kaputt. Ich habe seit vorgestern Nacht kaum ein Auge zugemacht. Und meine Kinder habe ich die letzten fünf Tage nicht mehr zu Gesicht bekommen. Nichts Ordentliches gegessen. Auch wenn es Ihnen nicht passt, unser Einsatz dient der Gesellschaft. Und da kommt einer wie Sie an und verweigert renitent die Antwort. Das kann einen ganz schön kribbelig machen. Verstehen Sie? Unsere Laune wird dadurch nicht besser. Sie schaden sich nur selbst damit. Wir wollten die Angelegenheit eigentlich schnell hinter uns bringen, aber nun haben wir den Salat. Natürlich können Sie sich auf das Gesetz berufen. Als Bürger haben Sie Rechte. Aber das ist eine zeitraubende Prozedur. Und solange sich das hinschleppt, kann es ziemlich unangenehm für Sie werden. Gesetze sind sehr vertrackt, und das kostet Zeit. Das leuchtet Ihnen doch wohl ein, oder?«
»Verstehen Sie uns nicht falsch, wir wollen Sie nicht einschüchtern«, warf Fischer ein. »Er hat Ihnen nur einen freundlichen Rat gegeben. Es ist nicht unsere Absicht, Ihnen Unannehmlichkeiten zu bereiten.«
Ich
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