Tanz mit dem Teufel
hat?«
»Ich hab mal so was munkeln hören.«
»Es stimmt tatsächlich! Er hat es mir gezeigt. Soll ich Ihnen verraten, was für ein Tattoo das ist? Es sind die ersten Worte aus dem Ulysses von James Joyce: ›Der stattliche plumpe Buck Mulligan …‹ So nennt er nämlich sein bestes Stück: Buck Mulligan. Ich zitiere: ›Mein Freund Buck Mulligan und ich haben es den beiden Nutten tüchtig besorgt.‹ Und wissen Sie, was er gesagt hat? Er hätte sich den Rest des Romans auch noch drauftätowieren lassen, aber der gute Buck hätte leider vorher schlappgemacht.« Er lachte schallend. »Der Kerl ist echt irre, aber ich halte große Stücke auf ihn.«
Kopfschüttelnd tankte er einen Schluck Bourbon nach. »Was ist nun? Übernehmen Sie den Job?«, fragte er.
»Schon möglich.«
»Mir wär’s recht«, sagte Jerry. »Mit uns zweien … das könnte lustig werden. Vorher müsste ich Ihnen natürlich ein paar Gläser Whiskey einflößen und Sie irgendwie ein bisschen lockerer machen. Aber auf meine Hilfe müssen Sie leider verzichten.«
»Weshalb?«
»Ich habe meine Gründe. Zum einen kann ich sowieso nichts Nützliches beitragen, und zum anderen gefällt es mir nicht, dass Sie und Ihr Freund Jurado in meinem Privatleben rumstochern. Genau darauf läuft es doch letzten Endes hinaus. Sie arbeiten für ihn, nicht für mich. Wenn Sie zum Beispiel rauskriegen, dass ich mir ganz gerne Kleingeld in den Arsch schiebe, während ich mir einen runterhole, rennen Sie mit dieser Information schnurstracks zu ihm. Ich müsste ja mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn ich dabei auch noch mitmachen würde. Er würde alles, was Sie rausfinden, früher oder später gegen mich verwenden. Dabei hat der Mistkerl mich sowieso schon am Wickel. Nein, danke. Vor allem aber interessiert es mich einen Dreck, wer dahintersteckt. Wenn Jurado Sie anheuern will, ist das ganz allein seine Sache. Ich bin ihm scheißegal, ihm geht es bloß um seinen gottverdammten Film. Mich würde er, ohne mit der Wimper zu zucken, der Meute zum Fraß vorwerfen. Das wissen Sie genauso gut wie ich.«
»Und der Film? Liegt Ihnen denn auch nichts an Ihrem Film?«
Jerry kippte den letzten Rest Whiskey. Hielt das Glas hoch und winkte damit der Kellnerin. »Was wollen Sie hören? Die Wahrheit oder die Hollywood-Version?«
»So etwas Ähnliches wie die Wahrheit wäre zur Abwechslung mal ganz erfrischend.«
»Die ganze Geschichte geht mir total am Arsch vorbei«, sagte Jerry. »Ich gebe einen Scheiß auf Jurado, ich gebe einen Scheiß auf die Gerüchteküche, und vor allem gebe ich einen Scheiß auf den Film.«
Sein Bourbon kam. Spandau war noch versorgt. Die Kellnerin stellte den Drink auf den Tisch und räumte das benutzte Glas ab. Jerry bedeutete ihr zu warten, kippte den Whiskey auf ex, drückte ihr das zweite Glas gleich auch noch in die Hand und tippte an den Rand, als Zeichen, ihm umgehend noch einen Bourbon zu bringen.
Lachend wandte sie sich an Spandau: »Ihr Freund macht doch hoffentlich keine Randale?«
Spandau wandte sich an Jerry: »Machen Sie Randale?«
»Könnte schon sein.« Er legte den Kopf in den Nacken und starrte an die mit Schmetterlingen verzierte Decke.
»Auch gut«, sagte die Kellnerin. »War bis jetzt sowieso ein stinklangweiliger Abend.«
»Haben Sie nicht selbst gesagt, dass dieser Film Ihrer Karriere neuen Auftrieb geben wird? Trotzdem scheint es Sie überhaupt nicht zu stören, dass ihn irgendwer sabotieren will. Interessant. So etwas findet man nicht oft bei einem Regisseur.«
»Es ist nicht mein Film.«
»Buch und Regie – Jerry Margashack. So steht es überall geschrieben.«
»Buch und Regie sind auch von mir, das stimmt. Aber nicht unbedingt der Film, der am Ende in die Kinos kommt. Das kennen Sie doch.«
»Sie hatten nicht den Final Cut?«
»Nicht den Final Cut. Nicht das letzte Wort beim Drehbuch. Ich kriege keine anständigen Tantiemen. Ich kriege einen Scheißdreck. Ich war der letzte Penner, der in Wisconsin einen Film über Käse gedreht hat. Jawohl, über Käse, kein Scheiß. Hab’s mir selber als Meisterwerk der Filmkunst schöngeredet. Dabei hat mir damals außer für Filmkunst sowieso keiner mehr einen Cent gegeben. Zu der Zeit habe ich für den Molkereienverband Wisconsin gearbeitet, jetzt für Frank Jurado. Die Käsereien sind mir tausendmal lieber. Am Käse hängt, zum Käse drängt doch alles, wie schon der Meister sagt. Aber ich war bis über beide Ohren verschuldet, und dann winkte auf einmal Hollywood.
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