Tanz mit dem Teufel
zu hören war, über seinem Tausend-Dollar-Luis-Vuitton-Papierkorb die Seele aus dem Leib reiherte.
15
Der Transporter der Chipmunks bog in die Gasse hinter Atom’s Meats ein. Savan und Tavit frotzelten rum, wie üblich. Während der ganzen Fahrt von Laguna Beach bis hierher hatte Tavit sich von seinem Cousin wegen seines angeblich nicht vorhandenen Sexlebens aufziehen lassen müssen.
Savan war nämlich überzeugt, dass Tavit mit seinen sechsundzwanzig Jahren noch nie eine nackte Frau angefasst, geschweige denn flachgelegt hatte. Tavit ließ das nicht auf sich sitzen. Savan wollte Namen, Daten, Details aus ihm herauskitzeln, und als Tavit ihm keine liefern konnte, nahm Savan das als Beweis, dass er tatsächlich noch Jungfrau war. Dabei wusste jeder der drei, dass Tavit mindestens einmal im Leben zum Schuss gekommen war, und zwar bei einer verfetteten Indianerkellnerin in einem Reservatscasino – genau in diesem Wagen. In der Woche darauf hatte er die beiden fast in den Wahnsinn getrieben, weil er überzeugt war, sich jede nur erdenkliche Geschlechtskrankheit eingefangen zu haben. Während Savan Spaß daran hatte, ihn aus purer Langeweile zu quälen, verwechselte Tavit seine seelischen Grausamkeiten mit ruppiger Kameradschaft unter Männern und hielt sie höchstens für freundschaftliches Geblödel. Dabei konnte Savan ihn einfach nicht leiden.
Araz gingen sie mit ihrem ewigen Heckmeck jedenfalls gehörig auf die Nerven. Je lauter er das Autoradio drehte, um sie zu übertönen, desto lauter kabbelten sie sich. Sie ließen sich überhaupt nichts sagen. Wie die Kinder. Nie nahmen sie etwas ernst. Wenn sie gleich bei Onkel Atom waren, würde sich einer von ihnen bestimmt irgendetwas leisten, womit er den alten Knochen auf hundertachtzig brachte. Und weil Araz der Älteste war, würde Onkel Atom seinen Ärger natürlich an ihm auslassen. Schließlich sollte er seine Cousins an der Kandare halten.
Bevor sie ausstiegen, musste Savan Tavit unbedingt noch schnell seinen angeleckten Zeigefinger ins Ohr stecken.
»Dir hat wohl einer ins Hirn geschissen!«, brüllte Tavit, während er mit dem Jackenärmel an seinem Ohr rumrubbelte.
»Einen nassen Schwanz im Gehörgang, das ist auch schon das höchste der Gefühle, was du in Sachen Sex erwarten kannst.«
»Der soll mich in Ruhe lassen«, appellierte Tavit an Araz.
»Lass ihn in Ruhe«, sagte der, aber ohne großen Nachdruck. Er mochte Tavit nämlich auch nicht besonders.
»Wär’s dir hinten rein lieber?« Savan rammte Tavit den Daumen in den Arsch.
»Aufhören!«, sagte Tavit.
»Jetzt lass ihn verflucht noch mal in Frieden«, sagte Araz zu Savan.
»Wieso?«, gab der zurück. »Was hab ich denn gemacht?«
Araz klingelte. Omar machte ihnen die Tür auf. Er war ein Koloss von einem Kerl, dessen Gesicht mit Narben und Aknekratern übersät war. Infolge eines Messerstichs, der einen Nerv durchtrennt hatte, hing ihm auf der linken Seite der Unterkiefer schief herunter. Weshalb ihm ständig der Sabber aus dem Mund lief, den er alle paar Sekunden mit einem Taschentuch wegwischte. Er trug stets denselben blauen Anzug mit demselben Haarschuppenmuster auf der Schulterpartie. Araz kam es fast so vor, als hätte er sich die abgestorbenen Hautpartikel extra auf den Stoff geklebt, zu komplexen Konstellationen angeordnet, die nur ihm selbst etwas sagten. Sosehr ihn dieser Gedanke faszinierte, wäre er im Leben nicht auf die Idee gekommen, Omar darauf anzusprechen. Denn der führte in seiner rechten Jackentasche immer ein Messer mit einer fünfzehn Zentimeter langen Klinge bei sich, das er beim geringsten Anlass zückte, aufschnappen ließ und zur blitzschnellen Mundwinkelverbreiterung verwendete. Araz hatte eines seiner derart mit einem künstlichen klaffenden Lächeln verunstalteten Opfer selbst bis vor die Notaufnahme des Krankenhauses gefahren, mit dem verspäteten Rat, niemals eine kritische Bemerkung über Onkel Atom zu machen, solange Omar in Hörweite war. Omar war Onkel Atoms rechte Hand. Er bevorzugte Messer, weil Knarren viel zu teuer waren, um sie jedes Mal wegzuwerfen, wenn die Bullen hinter ihm her waren.
Aus der geöffneten Tür schlug den Chipmunks ein Schwall eisiger Luft und klebriger Fleischgeruch entgegen. Hinter einem Plastikstreifenvorhang ging es in einen großen Raum, in dem gehäutete Rinder- und Schweinehälften hingen und Männer mit Beilen und großen Metzgermessern tote Tiere zerlegten. Omar führte die jungen Männer zwischen den baumelnden Kadavern
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