Tanz mit mir ins Glueck
gusseiserne Kandelaber standen in allen vier Zimmerecken. Schwere Ketten hingen von der Decke herab und hielten einen aus einem alten Wagenrad gefertigten Leuchter. Die Hauptlichtquelle des Raums waren jedoch der massive steinerne Kamin und die unzähligen Kerzen, die auf jeder verfügbaren Oberfläche brannten. Auf den schimmernden Eichendielen hallten ihre Schritte wider. Die kostbaren Wandbehänge und die gekreuzten Schwerter über dem Kaminsims vermittelten den Eindruck, in einer mittelalterlichen Halle zu stehen.
Ein Geistlicher erhob sich von einem Stuhl neben dem Feuer. Die Flammen spiegelten sich in den Gläsern seiner randlosen Brille wider. „Guten Abend und willkommen. Sie möchten heiraten?"
Zu Aimees grenzenloser Erleichterung verschwand der ange spannte Ausdruck in Raphaels Gesicht. Was immer ihn zuvor beunruhigt haben mochte, schien vergessen. „Ja", erklärte er fest. „Einen kleinen Moment noch." Ohne ihre Antwort abzuwarten, zog er sie beiseite.
„Stimmt etwas nicht?"
„Du weißt genau, was nicht stimmt, amada. Wir können so nicht heiraten. Du würdest es stets bedauern."
Sie wagte kaum zu fragen. „Meine Eltern?"
„Sie sollten dabei sein ", bestätigte er. „Möchtest du sie nicht holen lassen?"
„Bist du sicher, dass es dir nichts ausmacht?"
„Ich bin nicht damit einverstanden, dass sie nach allem, was passiert ist, einen weiteren Cinderella-Ball abhalten, aber sie sollten trotzdem bei der Hochzeit ihrer Tochter anwesend sein."
Tränen brannten in ihren Augen. „Danke, Raphael. Ich werde gleich nach ihnen schicken."
Er wandte sich zu dem Geistlichen um und reichte ihm den Umschlag, den Dora ihnen gegeben hatte. „Wir beginnen mit der Zeremonie, sobald die Montagues da sind."
Nachdem Aimee einen Diener mit der Nachricht fortgeschickt hatte, trat sie an Raphaels Seite. „Sie sind gleich hier."
Der Priester neigte den Kopf. „Sehr schön. Bevor wir jedoch anfangen, muss ich Sie bitten, sich Ihre Entscheidung noch einmal gründlich zu überlegen. Die Ehe ist eine ernsthafte Bindung, die Besonnenheit und Vernunft erfordert. Während wir auf die Montagues warten, möchte ich Sie bitten, sich Ihrem Partner zuzuwenden und einander gründlich zu betrachten. Vergewissern Sie sich, dass Sie die richtige Wahl getroffen haben."
Aimee drehte sich zu Raphael um. Seine Gelassenheit erstaunte sie. Er hielt völlig still, seine markanten Züge waren wie in Stein gemeißelt, seine Augen stahlgrau. Dennoch hatte sie den Eindruck, dass er sich im stillen auf eine Niederlage vorbereitete. Er schien nur darauf zu warten, dass sie ihre Meinung änderte. Das war natürlich absurd, denn so etwas würde sie nie tun. Sie musterte ihn eindringlich. Vielleicht fürchtete er weniger ihren Sinneswandel als ...
Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Er fürchtete, dass sie in dieser feierlichen Umgebung sein wahres Ich entdeckte!
Beinahe hätte sie laut aufgelacht. Wusste er denn nicht, dass sie schon vor langer Zeit hinter seine abweisende Maske geblickt hatte?
Er war ein faszinierender Mann, dessen einzigartige Vergangenheit seinen Charakter geprägt hatte. Wenn es um seine Halb schwester Shayne ging, war er mitfühlend und aufrichtig. Ein fürsorglicher Bruder, der alles tun würde, um die zu schützen, die er liebte.
Aber er besaß auch einen rücksichtslosen Zug. Aimee hatte die bittere Erfahrung machen müssen, dass er wie ein einsamer Wolf durchs Leben streifte, ständig auf der Hut vor Bedrohung und Schwäche. Nur wenige wagten es, sich mit ihm anzulegen, und wenn es einmal geschah, bezahlten sie einen hohen Preis dafür. Die Tatsache, dass er nur schwer verzeihen konnte, machte ihre Ehe um so erstaunlicher. Denn um sie zu heiraten, musste er erst einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen.
Und dennoch ...
Vor sechs Jahren hatte sie sich unsterblich in ihn verliebt, und nichts, was er seither getan oder gesagt hatte, hatte daran etwas ändern können.
Sie lächelte Raphael aufmunternd an. „Ich weiß, was für ein Mann du bist, und ich will dich noch immer heiraten."
Raphael ballte die Hände zu Fäusten. Hätte sie ihn geohrfeigt, hätte er nicht verblüffter sein können. Was, zum Teufel, meinte sie damit - sie wisse, was für ein Mann er sei. Ahnte sie etwas? Hatte sie seinen Plan durchschaut? Falls ja, warum war sie dann noch bereit, ihn zu heiraten? War sie tatsächlich so dumm, die Konsequenzen zu ignorieren? Wenn sie erst einmal verheiratet waren, würde er sie so lange
Weitere Kostenlose Bücher