Tanz mit mir ins Glueck
bist."
Er stieg aus und schlug die Tür hinter sich zu. „Du bleibst hier sitzen und bewegst dich nicht von der Stelle. Ich werde wieder einmal Äste auf die Straße schichten."
Zehn Minuten später kehrte er zum Auto zurück. „Es kann eine Weile dauern, bis Hilfe kommt. Du hast wohl kein Wasser dabei, oder?"
„O doch. Manuel hat darauf beständen", erklärte sie in der Hoffnung, für den jungen Studenten ein paar Pluspunkte zu sammeln. „Außerdem habe ich eine Thermoskanne mit Kaffee und eine Tüte mit Tico-Snacks, ohne die ich nicht überleben könnte - das hat Manuel zumindest behauptet."
Raphael inspizierte die Vorräte. „Ich bin fast geneigt, ihm zu verzeihen, dass er dich nach San Jos6 gebracht hat. Er hat einen ausgezeichneten Geschmack.
Wenigstens werden wir nicht verhungern."
Aimee spähte ihm über die Schulter. „Was haben wir denn alles? Ich sterbe vor Hunger."
„Tortas, chorreados und tapitas."
„Was ist das?"
„Pasteten mit Fleischfüllung, Maiskuchen und Schokoladenriegel." Er lächelte jungenhaft. „Gibt es noch mehr spanische Ausdrücke, die ich dir übersetzen soll?"
Sie nickte. „Was heißt eigentlich ,Esperanza'?"
Er presste die Lippen zusammen. Mit dieser Frage hatte er offenbar nicht gerechnet. „Hoffnung."
„Und Milagro?"
„Wunder."
„Und ,amada'?"
Schulterzuckend wandte er sich zur Straße um. „Das ist ein Kosename, der nicht oft gebraucht wird." Er warf ihr den Beutel zu. „Ich dachte, du wärst hungrig."
„Amada", wiederholte sie versonnen und schob die Tüte beiseite. „Was heißt das?"
„Geliebte", flüsterte er rau.
Sie berührte sacht seine Schulter. „So hast du mich die ganze Zeit genannt?
,Geliebte'."
„Hast du nicht gewusst, dass es ein Kosewort ist?"
„Nein, aber es gefällt mir."
„Das hatte ich gehofft."
Aimee kuschelte sich an ihn. „Ich habe dich vermisst."
„Ich dich auch. Es waren lange Tage." Zärtlich streichelte er ihre Wange. „Hast du auf den Feldern gearbeitet, während ich fort war?"
„Ja. Hast du deine Meinung über den Verkauf der Finca geändert?
„Nein."
„Kannst du es etwa nicht ertragen, auf einer Kanch namens ,Hoffnung' zu leben, die ganz in der Nähe einer Stadt namens ,Wunder' liegt?"
„Aus einem so nichtigen Grund würde ich mein Heim niemals verkaufen."
Liebevoll zerzauste er ihr Haar.
„Warum dann?"
Er zögerte. „Ich tue es Shayne zuliebe."
Das also war die Antwort auf die Frage, die sie seit ihrer Ankunft beschäftigt hatte.
„Wegen Shayne?"
„Nicht nur du hast die Veränderung an ihr bemerkt. Sie ist nicht mehr das gleiche Mädchen wie vor fünf Jahren. Sie hat alles aufgegeben, was ihr früher lieb und teuer war."
„Weil du sie von Chaz McIntyre getrennt hast?"
„Einen anderen Grund kann es dafür nicht geben." Raphael seufzte. „Ich habe immer und immer wieder über meine Entscheidung von damals nachgedacht und mich gefragt, ob ich einen Fehler gemacht habe. Trotzdem bin ich stets zu dem gleichen Schluss gelangt: Sie war noch ein Kind, das diesen Mann nur wenige Stunden gekannt hat. Sie seiner Obhut zu überlassen wäre falsch gewesen."
„Weißt du, warum sie ihn geheiratet hat?"
„Ja." Er sah sie offen an. „Sie hat sich ein Märchen gewünscht. Sie wollte ein Leben wie du führen, amada. Ein Leben, das sie nie gehabt hatte."
„Ein Leben wie ich?" wiederholte sie verwirrt. „Aber sie hatte doch ein traumhaftes Leben. Warum ..?"
Raphael zögerte. „Ihr Leben war kein Traum. Unser Vater und ihre Mutter wurden bei einem Bootsunglück getötet, als ich sechzehn war. Shayne war damals drei."
„Hattet ihr denn keine Verwandten, die euch hätten helfen können?"
„Nein. Mir blieb nichts anderes übrig, als uns allein durchzubringen. Ich habe mich um die Finca, um meine kleine Schwester und all jene gekümmert, die von uns abhängig waren. Leider habe ich versagt. Ich habe alles verloren - die Plantage und das bisschen Geld, das ich von meinen Eltern geerbt hatte. Aber was am schlimmsten war: Ich habe auch Shayne verloren."
Aimee dachte an das Gespräch mit ihrem Vater am Heiligen Abend. Er hatte gesagt, dass Raphael einmal die Kontrolle über sein Leben verloren habe und nun ständig darum kämpfe, um dies zu verhindern; Wie ihr Vater jedoch zu dieser Erkenntnis gelangt war, war ihr ein Rätsel.
„Du hast sie verloren? Wie meinst du das?" erkundigte sie sich sanft.
„Als mir klar wurde, dass ich sie nicht länger ernähren konnte, habe ich die Schwester meiner
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